Wenn die Sprachbarriere die Krise noch verschärft 

Wenn die Sprachbarriere die Krise noch verschärft

21. Februar 2021

Kolumne von Lamya Kaddor

Dass Geflüchtete große Teile der Gesellschaft nicht sonderlich interessieren, solange sie in Sammeleinrichtungen versteckt oder sonst wie in der Gesellschaft unsichtbar sind oder gleich ganz an den EU-Außengrenzen bleiben, ist zwar beschämend, aber nicht neu. Die Corona-Krise, unbarmherzig wie sie ist, schert sich nicht darum. Sie hält uns vielmehr ein Brennglas vor und vergrößert das, was wir nicht sehen wollen.

Und dabei möchte ich den Blick jetzt nicht auf das Offensichtliche lenken: die besonderen Gesundheitsgefahren, denen Geflüchtete in Sammelunterkünften ausgesetzt sind, eng an eng, Abstand halten quasi unmöglich. Zehntausende betrifft das. Das Problem ist bekannt. Im Alltag – ob in Sammelunterkünften oder in eigenen Wohnungen – kommen derzeit viele weitere Probleme auf die Menschen zu, von denen die meisten kaum etwas ahnen.

Vielleicht waren Sie schon mal so mutig und haben China abseits der Touristenpfade bereist. Oder die arabische Welt. Oder Bulgarien oder ein anderes Land, dessen Schriftsystem Sie nicht lesen, deren Sprache Sie nicht sprechen und verstehen können.

In so einer Situation sind viele Geflüchtete dauerhaft – und das in der Coronakrise. Also in einer Zeit, in der es zusätzliche Regeln und Vorschriften zum Infektionsschutz gibt. In der sie in einigen Straßen Coronaschutz-Masken tragen müssen, in anderen nicht, was aber nirgends in einer weiteren Sprache neben Deutsch geschrieben steht. In der sie sich impfen lassen und DIN-A4-Bögen voll mit deutscher Bürokratie ausfüllen sollen. In der der Gang zur Ärztin, zur Apotheke oder zur Krankenkasse vermehrt lebenswichtig werden kann. In der von ihnen verlangt wird, die Kommunikation mit den Schulen ihrer Kinder zu führen, inklusive Videokonferenzen und Aufgabenstellungen im Distanzunterricht.

Viele Geflüchtete sind mit ihren rudimentären Deutschkenntnissen total aufgeschmissen. Da wir selbst von Impfbeschaffung bis Corona-Schnelltest, von Lockdown-Blues bis Existenzangst genug eigene Sorgen haben, kümmert sich fast niemand in der Politik um diese „Randprobleme“ von Menschen mit Fluchtbiographie.

Einzelne Behörden bieten vielleicht mal Übersetzungen an, aber so schnell wie Angela Merkel und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten die Corona-Maßnahmen anpassen, von Bundesland zu Bundesland, von Kommune zu Kommune anders, kommt kaum jemand hinterher. Und was sollen Grundschulen machen? Sollen die Lehrkräfte erst Arabisch, Paschtu, Kurdisch lernen?

Der Staat wird es in der Pandemie nicht leisten können, allen alles in ihren Sprachen zu erklären. Deshalb sollten wir als Gesellschaft einspringen und helfen, wo es geht. Wir können vor allem eines tun: Geduld aufbringen. Wir können freundlich Hilfsstellung anbieten auf der Straße, im Supermarkt oder auf dem Amt. Wir können Eltern in WhatsApp-Gruppen der Schulen Dinge zwei oder dreimal erklären, ohne genervt zu sein. Oder wir bieten mal ein persönliches Gespräch per Telefon an. Pandemie hin oder her, ein bisschen Menschlichkeit und Verständnis im Alltag ist ja trotz Krise nicht zu viel verlangt. Oder?

Foto: FH Münster

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