Özge Inan

Was Franziska Giffey und die Letzte Generation gemeinsam haben

Was Franziska Giffey und die Letzte Generation gemeinsam haben

24. April 2023

Kolumne von Özge Inan

Knapp 1000 Stimmen waren es, die den Unterschied machten. Für Franziska Giffey ein „klarer Auftrag“:

das Rote Rathaus geht an die CDU, da können sich Grüne und Linke schwarz ärgern. Vielleicht haben sich die anwesenden Journalisten bei der Verkündung des Abstimmungsergebnisses anmerken lassen, dass sie eine Mehrheit von 54,3 Prozent gar nicht mal so klar finden, jedenfalls illustrierte der Co-Vorsitzender der Berliner SPD Raed Saleh gleich mal die Verhältnisse. 1000 Menschen, das seien „einmal die Genossinen und Genossen aus meinem Heimatbezirk Spandau.“Na, das will was heißen.

Welche Mehrheiten exekutiven Handlungsbedarf nach sich ziehen und welche nicht, ist indes mal wieder ganz dem Geschmack der Herrschenden überlassen. 59 Prozent für die Enteignung großer Wohnungskonzerne können Franziska Giffey den Buckel runterrutschen, 54 Prozent für die Große Koalition? Klarer Auftrag! In Zeiten, in denen allerorten vor der Erosion der Demokratie gewarnt wird, muss man sich das erlauben können. Giffey kann. Schließlich hat sie mit der Immobilienbranche nicht nur eine der mächtigsten Lobbys des Landes an ihrer Seite, sondern mit der CDU auch deren parlamentarische Vertretung.

Was passiert, wenn linke Aktivisten ähnlich selektiv mit der Mehrheitsmeinung umgehen, kann man gerade schön an der „Letzten Generation“ beobachten. Den direkten Nazivergleich ziehen bisher zwar nur verwirrte Einzeltäter wie etwa RTL-Politikchef Nikolaus Blome.

Justizminister Marco Buschmann ist im Interview mit dem RND allerdings schon in der Weimarer Republik angekommen. Auch die sei bekanntlich wegen „Menschen am linken und rechten politischen Rand“ den Bach runtergegangen, die meinten, „die eigenen Vorstellungen mit der Faust durchzusetzen“. Den Geschichtsrevisionismus wollen wir mal wohlwollend überhört haben, das mit der Faust genauso, aber welche „eigenen Vorstellungen“ eigentlich? Die Letzte Generation setzt sich über den Mehrheitswillen hinweg, wenn sie unpopuläre Protestmethoden wählt, das ist richtig. Ihre Forderungen dagegen sind so handzahm, dass man zuweilen den Eindruck hat, sie langweilen sich selbst. Denn da geht es dann doch um demokratische Mehrheiten, die der Regierung angeblich einen Auftrag erteilt haben sollen. Gähn. „Angewandte Staatsbürgerkunde“ nannte die Taz das neulich völlig zutreffend.
Mit den Mehrheiten ist es doch so: wo sie einem passen, sind sie heilige Autorität, und wo sie einem widerstreben, ignoriert man sie. Die Aktivisten der Letzten Generation bezahlen dafür in Form von Polizeigewalt, freidrehender Springerpresse und gewaltbereiten Autofahrern. Franziska Giffey erhält für die gleiche Bigotterie Blumen von ihrer Clique aus CDU, Seeheimern und Lobby.

Foto: Timo Schlüter

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