13. Januar 2022
Kolumne von Felix M. Steiner
Die Zahl der Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen steigen. Gefühlt laufen wenigstens in jedem kleinen Dorf irgendwo 30 Pandemie-Leugner:innen oder Impfgegner:innen montags oder mancherorts auch am Sonntag oder am Samstag oder was weiß ich wann durch die Stadt. Schnell war natürlich die Debatte um den Umgang der Sicherheitsbehörden mit diesen Demonstrationen, denn natürlich sind es Demonstrationen (Mobi-Flyer, gemeinsame Slogans rufen, Schilder), eine der meist diskutierten Fragen. Viele haben gefordert: Da muss der Staat hart durchgreifen. Ich verstehe diese Forderung, besonders auch in Bezug auf den ganzen ekelhaften Geschichtsrevisionismus gut. Aber: Ich mag mich unbeliebt machen, aber ich sehe das verhaltener. Die Rufe nach der Staatsmacht kommen mir bei diesen Demos nicht so leicht über die Lippen. Zu groß ist dann doch meine Skepsis, wohin denn solche Wünsche führen können. Am Ende sind es dann doch die Forderungen vieler Innenpolitiker:innen zu einem weiteren Ausbau polizeilicher Strukturen und zu einer Verstärkung der Kräfte. Dies sollte man dann bei jener Forderung auch zu Ende denken. Man muss es realistisch sehen, die reine Anzahl der Orte macht es schon unmöglich, dass überall ein massives Polizeiaufgebot die Demonstrationen stoppt. Viel wichtiger scheint mir, die öffentliche Berichterstattung über die selbstverharmlosend genannten „Spaziergänge“. Zum einen wäre eine (Lokal)Berichterstattung, die nicht nur die reinen Zahlen und Abläufe referiert, sondern sich auch inhaltlich und organisatorisch mit den Demonstrant:innen auseinandersetzt, wünschenswert. Die Kurzinterviews in einigen TV-Formaten haben ganz gut gezeigt, welche krude Mischung sich hier herausgebildet hat. Und zum anderen, dies gab es dankenswerterweise schon in den letzten Wochen, nicht ständig die Behauptung der Pandemie-Leugner:innen und Impfgegner:innen von einer „Spaltung der Gesellschaft“ zu reproduzieren. Denn schaut man sich die zwar lokal zahlreichen Demos an, ist dies immer noch ein minimaler Teil der Gesamtbevölkerung und hier sollten Medien nicht an der Imaginierung der gesellschaftlichen Mehrheit mitarbeiten. Den Duktus der aktuellen Demonstrationen kennen wir schon aus Zeiten von Pegida: „Wir sind das Volk“-Selbstsicht, die nichts Anderes machen will als rechte Positionen zu normalisieren und sich als Sprecher (natürlich männlich) für die Gesamtbevölkerung zu gerieren. Entschuldigung: Das Volk natürlich! „Ausländer raus usw“.! Diese rassistische Ideologie ist es doch vielmehr bis heute, die unsere Gesellschaft spaltet und nicht die Frage, ob man sich zum eigenen Schutz und zum Schutz anderer impfen lassen sollte. Der Sozialpsychologe Harald Welzer sprach daher eher von einem „Riss am Rand“. Und in der Platte. Zumindest bei einigen. Da sind alle Türen zu. Dies ist mir in diesen Tagen wieder bei einer Meldung aus den USA klargeworden. Dort ist eine halbwegs prominente Verschwörungstheoretikerin und damit natürlich auch Impfgegnerin an den Folgen einer Covid-Infektion gestorben. Und was schließen dann deren Anhänger:innen so daraus? „Verschwörungsideolog:innen sehen die Tode ihrer Führungsfiguren jedoch nicht als Beleg für die Gefahr einer Infektion an. Wie der Independent berichtet, kursieren Verschwörungserzählungen, ihre Idole seien während der Krankenhausaufenthalte ermordet worden.“ Hier sind alle Türen zu. Und sollten es auch bleiben.
Foto: Felix M. Steiner