Putins Drohungen nachzugeben würde die Welt unsicherer machen

Putins Drohungen nachzugeben würde die Welt unsicherer machen

03. März 2023

Kolumne von Ruprecht Polenz

Das erste, was man vom Angesicht der Welt tilgen muss, ist Großbritannien“, sagt Andreij Guruljow im staatlichen russischen Fernsehen.

Guruljow sitzt als Mitglied von Putins Partei im russischen Parlament. Er ist eine von vielen Stimmen, die in den täglichen Talkshows des russischen Staatsfernsehens unverblümt mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen. Simulationen zeigen, wie Städte im Atompilz verdampfen. Den Zuschauer:innen wird anschaulich erklärt, dass eine Rakete nur wenige Minuten braucht, um London, Paris oder Berlin zu erreichen.

Die Botschaft ist klar und wird in Dauerschleife wiederholt: Der Westen soll aufhören, die Ukraine mit Waffen zu unterstützen. Dadurch sei er Kriegspartei geworden – und somit ein legitimes Ziel für russische Militärschläge.

Diese Propaganda bleibt vor allem in Deutschland nicht ohne Resonanz, wie die diversen „Friedensaufrufe“ von Schwarzer, Wagenknecht, Welzer, Precht und anderen zeigen.

Viele der über 600.000 Unterschriften unter den letzten Aufruf von Schwarzer/Wagenknecht dürften dieser Sorge geschuldet sein. Ist es etwa nicht das Allerwichtigste, einen atomaren 3. Weltkrieg zu vermeiden? Schließlich würde die Ukraine in diesem Fall auch aufhören, zu existieren. Wenn der „Ukraine-Krieg“ zu Ende gehe, sei diese Gefahr gebannt. So die Behauptung.

Dafür müsse die Ukraine halt ein paar Opfer bringen und territoriale und sonstige Zugeständnisse machen. Die Krim sei eh russisch und im Osten der Ukraine werde ja auch hauptsächlich russisch gesprochen.

Die Ukraine solle die Realitäten anerkennen. Schließlich habe noch nie eine Atommacht einen Krieg verloren. Was nicht stimmt, wie die Niederlagen der USA in Vietnam und der Sowjetunion in Afghanistan zeigen.

Man raunt von der Eskalationsdominanz, auf die es letztlich ankomme. Und weil diese wegen der Atomwaffen nun mal bei Russland liege, sei Widerstand letztlich zwecklos. Es wäre besser, gleich zu kapitulieren. Das spare sinnlose Opfer an Menschenleben.

Die meisten Unterzeichner:innen haben Angst vor einem 3. Weltkrieg, der dann auch mit Atomwaffen geführt werden könnte. Es geht ihnen weniger um die Ukrainerinnen und Ukrainer, als um sich selbst. Aber eine Unterwerfung der Ukraine unter Putins Willen macht auch Deutschland nicht sicherer. Im Gegenteil.

Was die Unterzeichner:innen in ihrer Angst übersehen: Nichts wäre zu Ende, wenn Putin mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine Erfolg hätte. Im Gegenteil. Es würde schlimmer. Russland würde in Moldau einmarschieren und dann in Georgien. Sein Vorgehen fände weltweit Nachahmer. Das Risiko von weiteren Kriegen würde sich deutlich erhöhen.

China könnte nach einem russischen Erfolg in der Ukraine zu der Schlussfolgerung kommen, es brauche nur mit Atomwaffen zu drohen, dann würde niemand wagen, Taiwan bei einem chinesischen Überfall zu Hilfe zu kommen. Ein Krieg zwischen China und den USA würde näher rücken. Genauso gilt umgekehrt: Ein Sieg der Ukraine reduziert das Eskalationsrisiko um Taiwan.

Wahrscheinlich käme auch der Atomwaffen-Sperrvertrag an sein Ende. Bisher ist es gelungen, die Zahl der Länder, die über Atomwaffen verfügen, zu begrenzen: USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich, dazu Indien und Pakistan, Israel und wahrscheinlich Nordkorea. Iran ist kurz vor dem Besitz der Bombe.

Die Botschaft, die von einem russischen Sieg in der Ukraine ausginge, wäre klar: Niemand hilft dem Angegriffenen, wenn ein Land von einem Staat überfallen wird, der mit Atomwaffen droht. Wer einigermaßen Sicherheit haben will, muss selbst über Atomwaffen verfügen. Vor allem in Asien und im Nahen Osten würden wir eine nukleare Aufrüstungswelle erleben. Bei zwanzig oder dreißig Staaten mit Nuklearwaffen nähme die Wahrscheinlichkeit von Atomkriegen entsprechend zu.

Je mehr nuklear bewaffnete Länder auf der Welt, desto schwächer würde Russlands Großmacht-Stellung, denn diese beruht vor allem auf dem Besitz von Kernwaffen. Auch das spricht dagegen, dass Russland tatsächlich Kernwaffen einsetzt.

Außerdem würde Putin nicht nur China vor den Kopf stoßen. Auch Indien und andere Länder würden sich von Russland abwenden, wenn dieses Tabu verletzt würde. Russland wäre weltweit vollständig isoliert.

Natürlich wäre es sträflich, die Risiken weiterer Eskalation des russischen Angriffskrieges auszublenden. Aber es gilt, die richtigen Gegenmaßnahmen zu treffen. Angst ist hier ein schlechter Ratgeber.  Atomarer Drohung begegnet man nicht durch Nachgeben, sondern durch glaubhafte Abschreckung.

Es ist wie bei ordinärer Erpressung. Wenn Putin mit seinem Überfall auf die Ukraine Erfolg hat, macht er weiter. Er macht aus seinen Absichten ja kein Geheimnis.

Sein Ziel ist ein imperiales Russland in einer neuen Weltordnung, in der das Unrecht des Stärkeren gilt: Dieser nimmt sich, was er kann, und der Schwächere erleidet, was er muss.

Es ist die Ukraine, die jetzt die Charta der Vereinten Nationen verteidigt. Wer diese Friedensordnung will, muss die Ukraine auch weiter mit Waffen unterstützen.

Foto: Kai-Uwe Heinrich TSP

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