Gemeinsam mit Faschisten demonstriert man nicht

Gemeinsam mit Faschisten demonstriert man nicht

06 September 2020

Kolumne von Ruprecht Polenz

Covidioten – nicht nur die SPD-Vorsitzende Saskia Esken darf die 40.000 Berliner Demonstrant:innen so nennen. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat Hunderte von Strafanzeigen gegen Esken geprüft und die Verfahren ohne Ermittlungen eingestellt.  

Die zugespitzte Formulierung „Covidiot“ sei „als Meinungsäußerung in der politischen Auseinandersetzung in der Corona-Pandemie nicht strafbar“ und von der Meinungsfreiheit gedeckt, heißt es in einer Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin.  

Aber nicht alles, was nicht strafbar ist, ist deshalb politisch auch klug. Bis heute versuchen Rechtsextremisten daraus Solidarisierungskapital zu schlagen, dass der damalige SPD-Vorsitzende Gabriel eine aufgebrachte und pöbelnde Menge vor einer Flüchtlingsunterkunft kurz und bündig als „Pack“ titulierte.

Denn alle Berichte über die Demonstration vom vergangenen Wochenende sprechen auch von Menschen, die nicht einverstanden gewesen seien mit der einen oder anderen Restriktion, die wegen der Corona-Pandemie verhängt wurde. Diese Demonstrant:innen hätten weder mit Nazis was am Hut, noch glaubten sie an irgendwelche finsteren Mächte. Und sie wähnten sich auch nicht in einer Diktatur. Solche Zweifel an einzelnen Restriktionen sind legitim und kein Grund, sich gleich als Idiot beschimpfen lassen zu müssen. Stattdessen bleibt die Politik in der Pflicht, immer und immer wieder über die Gefahren des Virus aufzuklären und die Abwehrmaßnahmen zu begründen.

Niemand kann sagen, auf wieviele der 40.000 diese Charakterisierung zutrifft. Wahrscheinlich waren Esoteriker, Verschwörungsmythologen und Rechtsextremisten in der Mehrheit. Aber wir wissen aus Umfragen, dass zwar 90 Prozent der Bevölkerung die Corona-Politik der Bundesregierung für richtig halten; dreißig Prozent von ihnen gehen die Maßnahmen sogar nicht weit genug. Doch immerhin zehn Prozent halten sie für übertrieben. Das sind sechs bis sieben Millionen Menschen. 

Die Rechtsextremisten, die bei der Berliner Demo optisch durchaus tonangebend waren, spekulieren darauf, immer mehr aus dieser Gruppe auf ihre Seite zu ziehen und unserer Demokratie zu entfremden. Dem gilt es entgegenzuwirken.

Deshalb muss klar benannt werden, dass Schwarz-Weiß-Rot nicht nur die Farben des Kaiserreichs waren. Die Nazis ersetzten damit 1933 das Schwarz-Rot-Gold der Weimarer Republik. Erst 1935 wurde die Hakenkreuz-Flagge zur Nationalflagge. Weil das Zeigen der Hakenkreuz-Flagge verboten ist, schwenken die völkischen Nationalisten heute Schwarz-Weiß-Rot.

Wichtig ist auch, dass man klar benennt, was klar benannt werden kann und klar benannt werden muß. Es waren keine „Chaoten“, die auf die Treppen des Reichstags stürmten. Die Aktion war alles andere als zufällig. Sie war lange geplant und angekündigt. Es waren Rechtsextremisten, die diese Provokation und die damit verbundene Aufmerksamkeit wollten. Die Nazi-Flagge 2020 wieder vor dem deutschen Parlament – diese Fotos wollte man haben.

Egal wofür oder wogegen – gemeinsam mit Faschisten demonstriert man nicht. Diese Botschaft müssen alle verstehen und befolgen, die unzufrieden sind mit was auch immer. Die grauenerinnernden Fotos von den Schwarz-Weiß-Roten Flaggen vor dem Reichstagsgebäude sollten das allen klar gemacht haben.

Foto: Kai-Uwe Heinrich TSP

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