Faschisten machen Spaß

Faschisten machen Spaß

04. Dezember 2023

Kolumne von Michael Bittner

Wenn ein Politiker sich „der Verrückte“ nennt, lässt sich immerhin nicht behaupten, er hätte seine Wählerinnen und Wähler nicht gewarnt. Javier Milei, der Gewinner der argentinischen Präsidentschaftswahl, tritt öffentlich gerne mit einer Kettensäge auf. Sie soll sein Versprechen versinnbildlichen, all jene Institutionen des Staates zu zerstören, die sich um sozialen Ausgleich, Klimaschutz und Gleichberechtigung kümmern. Der Ökonom Milei, der sich selbst „Anarchokapitalist“ nennt, betrachtet den Staat als Feind. Aber selbstverständlich nur den Staat, der die Wirtschaft kontrolliert und den Wohlstand umverteilt – gegen Polizei, Justiz und Militär hat Milei wie alle Ultraliberalen nichts. Schließlich muss es doch eine bewaffnete Macht geben, die das Kapital gegen Aufstände der Armen und Arbeitenden verteidigt. Kapitalisten sind in Wahrheit nie Anarchisten: Als Minderheit, die über eine Mehrheit herrscht, können sie den Staat als Waffe keinesfalls entbehren. Im Ernstfall reichen sich Liberalismus und Faschismus die Hand.

Sind die Argentinier verrückt, einen Verrückten an die Macht zu wählen? Wohl nicht. Das Land steckt in einer so tiefen, seit langer Zeit andauernden Wirtschaftskrise, dass es zumindest nicht völlig unverständlich ist, wenn die Mehrheit einer unfähigen, korrupten Politikerklasse eine Absage erteilt und lieber auf einen völlig unberechenbaren Neuling setzt. Aber es steckt doch noch mehr dahinter: Dieser Milei scheint viele Menschen wirklich zu begeistern. Nach seiner Wahl wurde im Scherz bemerkt, dass zahlreiche erfolgreiche Rechtspopulisten der jüngsten Zeit sich wie Milei durch eine exzentrische Frisur auszeichnen: Geert Wilders in den Niederlanden, Boris Johnson im Vereinigten Königreich, Donald Trump in den USA. Die strengen Scheitel der rechten Diktatoren alter Schule sind aus der Mode gekommen. Die Haartracht ist ein Accessoire der neuen Selbstinszenierung: Die rechten Demagogen unserer Zeit verhalten sich gerne wie Spinner und Clowns. Für ihren Erfolg ist es dabei gar nicht wichtig, wie groß der Anteil echten Wahnsinns und der des Theaters ist.

Was bezwecken die rechten Spaßmacher mit ihren Verrücktheiten? Erstens dient ihnen ihr exzentrisches Verhalten dazu, sich von der Ödnis des gewöhnlichen politischen Betriebs abzuheben. Dankbar berichten die Medien über den Irrsinn, der immerhin unterhaltsam ist, und werben so für die Fun-Faschisten sogar unbezahlt. Zweitens setzen sich die Populisten von der Seriosität der regierenden Elite ab. Dieser Ernst ist auch gespielt, aber meist deutlich schlechter. Tatsächlich gehören die rechten Pseudorebellen selbst zur Elite, doch ihr halbstarkes Grölen und Randalieren macht sie in den Augen der Bevölkerung zu kecken Außenseitern. Drittens dienen die schlechten Witze der Rechten der Selbstverharmlosung: Sie können krasseste Sprüche klopfen und sich danach damit herausreden, es sei doch alles nicht gar so ernst gemeint gewesen. Weil ihr Hass stets unterhaltsam ist, genießen selbst Fans die Show, die ihn im Ernst gar nicht ganz teilen. Man wählt die Rechten, um den Laden mal ein bisschen aufzumischen – gar so bös wie angekündigt wird es schon nicht kommen, es ist doch wohl vor allem ein großer Spaß. Aber das Clownskostüm kann sehr schnell durch die Uniform ersetzt werden. Auch Mussolini und Hitler wirken nicht erst heute komisch, sie waren es auch zu ihrer Zeit schon für alle, die nicht in ihrem Bann standen. Aber lachen konnte man über sie nur so lange, wie man dafür nicht hinter Gittern oder tot im Straßengraben landete.

Es gibt zwei sehr verschiedene Arten des Witzes. Der erste verbindet Menschen miteinander. Mit ihm spotten wir über die Widersprüche und Ungereimtheiten des Lebens, auch über die Schwächen der Menschen, doch schließen wir dabei uns selbst mit ein. Dieser Witz ist ein Gleichmacher, weil er alle trifft, auch jene Großen, die sich über ihn erhaben dünken. Die andere Art des Witzes ist Ausdruck der Verachtung. Hier dient der Witz dazu, die Angst, das Unglück und die Verletzlichkeit anderer zu verlachen, um uns über sie zu erheben. Das ist der Witz der Mächtigen. Wer die neurechten Demagogen beobachtet, wird immer wieder diesen hämischen, herabsetzenden Witz erkennen. Sie sind keine Narren, die Mächtige verspotten, sondern Horrorclowns, die Menschen auf der Straße mit einer laufenden Kettensäge erschrecken, um sich an ihrer Panik zu erfreuen. Ihr Extrem findet diese Lust in dem, was Klaus Theweleit „das Lachen der Täter“ genannt hat: der Spaß der Mörder am Leid ihrer Opfer. Wir sollten den neuen Faschisten den Spaß verderben.

Foto: Amac Garbe

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