04. Oktober 2022
Kolumne von Michael Bittner
Die größte Freude des Milliardärs Dagobert Duck ist es, in seinem Geldspeicher ein ausgiebiges Bad in seinen angehäuften Schätzen zu nehmen. Warum kommt uns diese Lust der superreichen Ente komisch vor? Doch wohl nicht nur deswegen, weil wir wissen, dass ein Kopfsprung in einen Haufen Goldstücke außerhalb der Fantasiewelt des Comics mehr Schmerz als Freude bereiten würde. Wir wissen auch, dass Reiche in Wirklichkeit Freude nicht am bloßen Besitz ihres Geldes haben, sondern daran, was sie mit ihrem Geld anstellen können. Was aber ist das eigentlich? Ein Reicher kann andere Menschen dazu bringen, für ihn zu arbeiten, und sich selbst dem Nichtstun oder Vergnügungen hingeben. Geld ist Macht. Nicht für sich ist es reizvoll, sondern weil es die Chance erhöht, sich die eigenen Wünsche von fremden Menschen erfüllen zu lassen. Dies aber ist nur in einer Gesellschaft möglich, in der Ungleichheit herrscht, denn besäßen alle gleich viel, stünde niemand mehr als alle anderen unter dem Zwang, Fremden dienstbar zu sein. Die Klasse der Reichen wird nie freiwillig dazu beitragen, die Armut abzuschaffen, denn die soziale Ungleichheit ist es, die ihnen Macht über andere Menschen gibt.
Um sich selbst und anderen einzureden, ihr Verdienst sei verdient, haben sich die Reichen Legenden ausgedacht, wie jene vom tüchtigen Unternehmer, der dank fleißiger Arbeit vom Tellerwäscher zum Millionär aufsteigt. Ein nüchterner Blick auf die Biografien der oberen Zehntausend zeigt jedoch, dass die Leistung der meisten Reichen darin besteht, von den richtigen Eltern geboren worden zu sein. Und selbst diejenigen, die ihr Vermögen einer Karriere verdanken, waren allenfalls anfangs auf eigene Arbeit angewiesen, während sie sich später die Früchte der Arbeit ihrer Untergebenen aneigneten. Ist eine gewisse Menge von Geld beisammen, verwandelt es sich in Kapital, das sich auf wundersame Weise selbst vermehrt. Und es ist nach der Weisheit des Volkes der Teufel, der auf den größten Haufen scheißt. Die interessante Frage, ob Reichtum den Charakter verdirbt oder Charakterlose größeres Talent dafür besitzen, sich zu bereichern, will ich hier auf sich beruhen lassen. Offenkundig scheint mir jedoch, dass die Asozialität öfter in Villen als in Plattenbauten wohnt. Aber gibt es nicht auch Reiche, die mit ihrem Vermögen Gutes tun? Die gibt’s gewiss, aber noch Wohltätern wie Bill Gates bereitet es erkennbar Lust, andere Leute für eigene Zwecke einzuspannen, wenn auch für gute. Dass Milliardäre Aufgaben übernehmen, die eigentlich Staaten erfüllen müssten, ist ohnehin kein gutes Zeichen.
Die Wissenschaftler des „Club of Rome“ verkündeten jüngst, die Menschheit sei aus ihrer gegenwärtigen Krise nur zu retten, wenn eine erhebliche Umverteilung auf Kosten der Reichsten ins Werk gesetzt und die Armut beseitigt werde. Damit, dass die Reichen freiwillig die Rechnung für die notwendige sozial-ökologische Transformation bezahlen, ist wohl nicht zu rechnen. Verzicht zählt nicht zu ihren Stärken. Sie dürften eher davon träumen, sich in vollklimatisierten Festungen gegen Hitze, Krieg und Armut abzuschotten und den Rest seinem Schicksal zu überlassen. Vor dem Willen der Mehrheit müssen sie sich so lange nicht fürchten, wie die Gleichheit der Menschen bloß auf dem Papier steht, die Vermögenden sich aber tatsächlich die Politik kaufen können, die ihnen genehm ist. Es ist nicht mehr nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern eine des Überlebens: Reiche sind ein Luxus, auf den wir in Zukunft verzichten müssen. Wir können sie uns nicht mehr leisten.
Foto: Amac Garbe