14. Oktober 2021
Kolumne von Felix M. Steiner
Es läuft schleppend mit der Revolution am rechten Rand. Jetzt wollen die Nazis schon freiwillig ins Reservat.
Die Bundestagswahl ist vorbei. So wie es derzeit aussieht, wird Deutschland bald von einer Ampel regiert. Zumindest stehen die Chancen nicht schlecht. Am rechten Rand der Flacherde waren die Wahlergebnisse eher „geht so“! Der in Parteiform gegossene Naidoo-Fanclub namens dieBasis konnte immerhin erschreckende 600.000 Menschen dazu bewegen, ihre Zweitstimme für sie abzugeben. Meine Hoffnung ist allerdings, dass die in vielen Teilen windigen Gestalten in der Partei sich schon vortrefflich um die paar hunderttausend Euro streiten werden, der der Partei nun aus der Wahlkampfkostenerstattung zustehen. Das Spendengeschäft soll ja nicht mehr so laufen, wie man immer mal wieder hört. Bei der AfD hingegen ging es bundesweit eher bergab. Die Partei verlor über 2% und landete bei 10,3% der abgegebenen Stimmen. Manch Bundesland bescherte der AfD herbe Verluste und in manchen blieb die Partei stabil. Nennenswerte Gewinne gab es nicht. Dennoch waren Sachsen und Thüringen nach der Wahl überall im Fokus: In den beiden Ost-Bundesländern konnte die AfD nämlich stärkste Partei werden. Da konnte sich das braune Trüppchen ihren Siegestaumel kaum verkneifen. Inszenierung, als ob der Polenfeldzug gerade erfolgreich abgeschlossen werden konnte oder die Wehrmacht gerade Paris eingenommen hätte. „Think big“ in zwei Bundesländern mit insgesamt rund 6 Millionen Einwohner:innen. Doch die Siegesfeierlichkeiten können auch hier nicht über die realen Zahlen hinwegtäuschen: Die AfD ist an der Grenze ihres mobilisierbaren Wählerpotentials angekommen. In Thüringen hat die Partei ihr Ergebnis gehalten und in Sachsen sogar Wähler:innen verloren. Der Grund, weshalb die AfD in beiden Freistaaten das Siegertreppchen erklimmen konnte, ist schlicht und ergreifend die Schwäche der CDU, die jahrzehntelang den sicheren Spitzenplatz in diesen Regionen inne hatte. Ich will es etwas allgemeiner formulieren: Die Schwäche der demokratischen Parteien ist die Stärke der AfD. Und das auf zahlreichen Ebenen. Nun endlich hat sich die Partei zwei kleine braune gallische Dörfer errichtet. Ob Höcke nun in der Geschichte eher der Fischhändler Verleihnix oder der Barde Troubadix ist, habe ich für mich noch nicht abschließend geklärt. Und da die Kulturrevolution von rechts nicht nur bei der AfD, sondern auch bei ihren Kumpels von der „Neuen Rechten“ etwas ins Stocken geraten ist, gilt es nun neue Strategien zu besprechen. Kennt noch wer die Identitäre Bewegung? Eben! Und da hat sich dann der Kinderzimmer-Revolutionär Martin Sellner aus Österreich ein paar Tage vor der Bundestagswahl was Feines ausgedacht. In Anbetracht der schleppend laufenden Revolutionsbemühungen sieht er eher eine „Sezession“ als erfolgsversprechende Strategie. Zumindest zeitweise. Eine eigene Staatsgründung meint er nicht, aber „eine Sammlung und Konzentration aller verbliebenen Ressourcen in einer bestimmten Region“ und das alles zur Bewahrung der „ethnokulturellen Identität“. Ich würde das mal salopp so zusammenfassen: Die neuen Nazis wollen freiwillig ins Reservat ziehen. Was Sellner mit zahlreichen griechischen und lateinischen Worten seinen pseudointellektuellen Anhängern vermitteln will, haben die Nazis, die wenigstens keinen Hehl daraus machen, Nazis zu sein, schon vor längerer Zeit auf den Punkt gebracht: Ziel ist die „systematische Ansiedlung in Mitteldeutschland“. Diese Ideen sind gewiss nicht neu, scheinen aber in den letzten Jahren wieder an Fahrt aufgenommen zu haben. Zuletzt sorgten Berichte über Neonazi-Übersiedlungen von Nordrhein-Westfalen nach Sachsen für Aufsehen. Es heißt also das rechte Auge offen zu halten. Besonders in Regionen, in denen die AfD ihre Wahlsiege feiert und sich quasi als Volkspartei versteht, denn eben hier ist wohl auch die Region ausgemacht, die von diesen Siedlungsphantasien „profitieren“ könnte. Zudem stehen hier mit den Landtagsfraktionen und Wahlkreisbüros der Bundestagsabgeordneten zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten für zugezogene Siedler:innen zur Verfügung.
Foto: Felix M. Steiner