01. August 2023
Von Matthias Meisner
Es ist erst ein paar Tage her, dass die Behörden in Sachsen sich des Themas annahmen. Mit einem neuen Leitfaden, gemeinsam herausgegeben von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und dem Landeskriminalamt Sachsen, soll ein Beitrag geleistet werden, um rassistisch motivierte Straftaten besser zu erkennen und konsequenter zu verfolgen.
Der Leitfaden, erstellt auf der Basis von Empfehlungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte, „soll die Handlungssicherheit von Mitarbeitern der Polizei und der Staatsanwaltschaften bei der Bearbeitung von politisch motivierten Straftaten stärken“, teilte die Staatsregierung in Dresden mit. „Zugleich soll durch den Leitfaden jungen Polizisten und Staatsanwälten das notwendige Fachwissen vermittelt werden, um auch bei unklarer oder mehrdeutiger Motivlage rassistisch motivierte Straftaten sicher zu identifizieren.“ Veröffentlicht wurde das für den internen Dienstgebrauch bestimmte Papier nicht.
Aber was, wenn es um Rassismus oder Rechtsradikalismus in der Polizei selbst oder auch in der Justiz geht? Wird auch hier genauer hingeschaut?
Die rechtliche Grundlage dafür wurde zuletzt verbessert – durch das Hinweisgeberschutzgesetz, das Whistleblowern Schutz vor Benachteiligungen bieten soll. Es trat Anfang Juli in Deutschland in Kraft. Umgesetzt wird damit eine EU-Richtlinie.
Wer auf Missstände oder Rechtsverstöße in Unternehmen und Behörden hinweist, soll vor ungerechtfertigten Benachteiligungen wie Kündigung, Abmahnung, der Versagung einer Beförderung oder Mobbing bewahrt werden. Zudem geplant ist die Einrichtung von internen und externen Meldestellen, an die sich die Hinweisgebenden wenden können, um Rechtsschutz erhalten zu können. Anders ausgedrückt: Wer mithilft, kleine oder große Skandale aufzudecken, soll nicht länger als Verräter:in, Denunziant:in oder Nestbeschmutzer:in gelten.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reagierte auf das neue Gesetz mit einer Kampagne „Mach Meldung!“, um Whistleblowing in der Polizei zu etablieren. Projektkoordinatorin Laura Kuttler sagt, ein Missbrauch der weitreichenden polizeilichen Handlungsmöglichkeiten müsse Konsequenzen haben – „ansonsten wird jedes Vertrauen in die Institution Polizei und in den Rechtsstaat aufs Spiel gesetzt“. Sie betont: „Es kann nicht sein, dass rassistische, sexistische und rechtsextreme Vorfälle in der Polizei immer wieder nur durch Zufall bekannt werden.“
Ihre GFF-Kollegin Franziska Görlitz ergänzt: „Ob Korruption in Unternehmen oder rechtsextreme Chatgruppen bei der Polizei – immer wieder werden Missstände und Skandale deshalb bekannt, weil mutige Menschen aus den eigenen Reihen die Stimme erheben.“
Besonders in einer eng verwobenen Behörde wie der Polizei sei es oftmals schwierig, beobachtetes Fehlverhalten zu melden, heißt es von der GFF. „Die stellenweise gefährliche Arbeit verlangt, sich vielleicht sogar mit dem Leben aufeinander verlassen zu können. So entsteht ein starker Zusammenhalt, der davon abhalten kann, Kolleg:innen selbst bei schweren Verstößen zu melden.“ In einer Studie will die Gesellschaft für Freiheitsrechte analysieren, wie sich die neue Rechtslage auswirkt. Ergänzend sollen ausführliche Interviews mit Polizeibeamt:innen geführt werden.
Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, ist optimistisch, dass sich etwas verbessert: „Ein wirksamer Schutz von Hinweisgeber:innen könnte ein wichtiges Instrument sein“, sagt er. Denn: „Für Polizist:innen kann es sehr schwierig sein, Fehlverhalten und Missstände auf dem normalen Dienstweg zu melden“. Sie seien stark abhängig von den Beurteilungen durch ihre unmittelbaren Vorgesetzten. „Außerdem besteht in der Polizei eine starke Binnenkultur, während eine Fehlerkultur wenig ausgeprägt ist.“