08. Juli 2021
Kolumne von Felix M. Steiner
Historische Vergleiche oder besser Gleichsetzungen sind ja dieser Tage recht beliebt. Manche fühlen sich wie Sophie Scholl, andere wie die verfolgten jüdischen Menschen im Nationalsozialismus und wieder andere halten die Bundesrepublik wahlweise für die DDR- oder die NS-Diktatur. Wobei mir die Systematik da noch nicht klar ist. Das hat immer wieder für viel Empörung gesorgt, aber ich möchte heute eine Lanze für historische Analogien brechen. Es müssen nur die richtigen sein.
So wie sich aktuell die Querdenker-Szene präsentiert, scheinen mir die selbstgewählten historischen Vorbilder eher schwierig. In den letzten Monaten sind die Zahlen der Teilnehmenden auf den Demos der Szene deutlich zurückgegangen, einige Vertreter haben ihrer Enttäuschung in recht amüsanten Videos dann Ausdruck verliehen. Der große Kampf ums Ganze hat sich in einen eher kleineren Häuserkampf in der Region entwickelt. Und nun wird im ständigen Endkampf gegen das System oder das Böse oder den Verstand zu einer erneuten Großdemo nach Berlin mobilisiert. Man könnte sagen, nach eineinhalb Jahren schwersten Kampfes steht infolge des Versagens vieler Verbündeter der Feind kurz vor dem Sieg.
Naja, so oder so ähnlich hat das zumindest Adolf Hitler im September 1944 formuliert, als er die „Bildung des Deutschen Volkssturms“ befahl. Und zack, da ist sie, die historische Analogie, die ich doch recht passend finde, um den aktuellen Stand der Querdenker-Szene zu beschreiben. So weit hergeholt ist das doch nicht, oder? Basierend auf einer (oder vielen) strukturell antisemitischen Verschwörungstheorie(n) hat man den Krieg begonnen und steckt jetzt nach einigen Erfolgen irgendwie in Russland im Schlamm fest. Und weil in einer Weltsicht, in der es um den ganz großen Kampf geht, kein Aufgeben und Impfen möglich ist, werden nun die letzten jungen Leute und Greise nochmal zur Unterstützung der „aktiven Kräfte“ nach Berlin befohlen. Denn die Propaganda sagt: Wir stehen ganz kurz vor dem Sieg, nur noch die Demo und das System geht in die Knie. Einige prophezeien schon, Merkel werde Anfang Oktober keine Kanzlerin mehr sein. Verrückt. Bei Hitler klang das 1944 noch so: „Während nun der Gegner glaubt, zum letzten Schlag ausholen zu können, sind wir entschlossen, den zweiten Großeinsatz unseres Volkes zu vollziehen.“
Eine Kapitulation darf es in der Propaganda natürlich nicht geben, schließlich hängen davon noch zu viele PayPal-Konten und Merch-Verkäufe ab. Kein Schwein will mehr einen Querdenken-Pullover, wenn die sich aufgelöst haben. Und wer soll dann noch die ganzen „alternativen Journalisten“ finanzieren, wenn die nicht mehr von jeder Schwachsinnsdemo live streamen können. Oh Gott, ob die dann alle anfangen zu schreiben!? Dazu eine Anmerkung an alle mitlesenden Impflinge: Ihr müsst jetzt übrigens keine GEZ mehr zahlen. Habe ich auf einer Demo in Bautzen gehört. Überprüft habe ich das nicht, aber das wird schon stimmen, der Postillon hat es ja berichtet.
Wir dürfen also gespannt sein, was uns im August in Berlin erwartet, wenn der Quersturm, Völkchenwind oder wie auch immer die Erwachten sich nun gern selbst sehen wollen, in die letzte Schlacht zieht, um Berlin zu verteidigen. Passt also alles zu meiner Analogie, habe ich mir ja nicht ausgedacht. Und für nach dem Krieg: Zumindest in der frühen Bundesrepublik hat die Integration der alten Nazi-Elite und deren „konservativ-bürgerlicher“ Helfers-Helfer in Ministerien, der Justiz usw. ganz gut geklappt. Denkt einfach mal über folgendes nach: Xavier Naidoo als Verteidigungsminister? Jan Josef Liefers als Bildungsminister? Hans-Georg Maaßen als Chef des Verfassungsschutzes? Zu absurd? Vielleicht! Aber auch aus der Querdenker-Szene haben sich ja schon einige führende Kräfte quasi über die „Rattenlinie“ ins Ausland abgesetzt. Aber dieses Mal ohne Kirche. Ganz frei nach Karl Marx: Geschichte ereignet sich zweimal. Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.
Foto: Felix M. Steiner