Das Schiff Marwa von Mission Lifeline im Atlantik

Tödliche Fluchtroute Atlantik und was wir dort tun

Tödliche Fluchtroute Atlantik und was wir dort tun

30. Mai 2023

Was das Mittelmeer im Norden ist der Atlantik im Westen von Afrika. Das letzte vermeintliche Hindernis vor einem guten Leben in Europa. Für viele wird der Atlantik jedoch zum Grab

Im Jahr 2022 haben laut der spanischen Menschenrechtsorganisation Ca-minando Frontera 1784 Menschen ihr Leben bei dem Versuch verloren, die Kanarischen Inseln von Afrika aus mit dem Boot zu erreichen.
1784 zerstörte Träume und Hoffnungen auf ein sicheres und besseres Leben in Europa. Aus Angst entdeckt zu werden starten die Boote ihre Reise Nachts im Verborgenen und so tauchen sie meist nur in der Statistik der Behörden auf, wenn sie die Überfahrt erfolgreich bewältigt haben oder aber ein Seenotfall geworden sind.
Gut, wenn sie ihre Position noch mitteilen konnten, denn dann besteht die Hoffnung von der spanischen Seenotrettungsorganisation Salvamento Maritimo gefunden und gerettet, oder aber von einem Fischerboot oder Containerschiff eingesammelt zu werden.

Rhib Lauch von der Marwa aus

Die gefährliche Überfahrt bei Wind und Wellen, die teils tagelang andauert, ist jedoch nicht die einzige Herausforderung. Verfehlen die kleinen, nicht hochseetauglichen Holz- oder Schlauchboot die kanarischen Inseln, bedeutet dies den sicheren Tod der Menschen an Bord. In den letzten beiden Jahren verschwanden so mindestens 147 Boote spurlos. Manchmal tauchen diese Boote dann weit ab von ihrem eigentlichen Ziel wieder auf. So wie 2021, als Fischer ein Cayuco[1] vor der karibischen Insel Tobago entdeckten. Man fand nur noch die bereits mumifizierten Leichen der Geflüchteten im Inneren des Bootes. In den meisten Fällen werden sie jedoch einfach von den Wassermassen verschluckt und bleiben für immer verschollen.

Seit 2020 operieren wir deshalb regelmäßig mit einer 15m langen Motoryacht auch auf dem Atlantik im Seegebiet der kanarischen Inseln. Unser Projekt dreht sich darum Boote in Seenot aktiv zu suchen, sie aufzufinden und diese an die spanische Seenotrettungsorganisation Salvamento Maritimo zu melden. Die unfassbare Weite des Einsatzgebietes macht es nicht nur für unser kleines Einsatzboot zu einer großen Herausforderung. Die Zahlen sprechen für sich. Dennoch geben wir nicht auf. Mit unsererem Einsatzboot namens Marwa fahren wir so oft es die Wind- und Wetterbedingungen zulassen und kreuzen südlich der Inseln.

[1]Cayucos (ursprünglich Einbaum) sind langgezogene Fischerboote aus Holz. Sie sind zum Teil mehr als 20 Meter lang. In der Mitte ist der Innenraum bis zu 1,50 Meter tief. Rund 100 Menschen drängen sich hier zusammen. Die Boote haben oft zwei Motoren. Einer ist im ständigen Einsatz, ein zweiter, in Ölpapier verpackt, für den Notfall. Boote, die gefunden werden, lassen die Strapazen einer solchen Überfahrt ahnen. Überall liegen zurückgelassene Schwimmwesten, Kleider und Schuhe umher. Leere Reissäcke zeugen von der spärlichen Kost. Zum Kochen dienen Campinggasflaschen und Autofelgen als Holzkohlengrill. Viele Boote brechen auseinander, wenn sie aus dem Wasser gehoben werden. 

Fotos: Hermine Poschmann, Anja Taubert


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