09. September 2020
Kolumne von Felix M. Steiner
In Berlin kam in den letzten Wochen zusammen, was zusammen gehört. Die Protestbewegungen vom rechten Rand, egal ob Sarrazin-Fans, Montagswahnmachler, rassistische „Flüchtlingskritiker“ oder Neonazis konnten sich zumindest kurzzeitig unter dem Thema „Corona“ zusammenschließen. Mittlerweile bröckelt der Zusammenschluss wieder, weil Verschwörungstheoretiker Verschwörungstheoretiker für Verschwörungstheoretiker halten. Oder für V-Leute.
Um zu verstehen, welche krude Mischung sich dort zusammengefunden hat, lohnt sich immer ein Blick auf die Menschen, die als „Größen der Bewegung“ gelten. Was heute bedeutet, sie verfügen über Social-Media-Kanäle mit zehntausenden Abonnenten. Einer meiner Lieblings-Schwurbler ist der dauergebräunte „bekennende Buddhist“ Heiko Schrang. Wenn man nicht sonderlich anfällig für den Quatsch ist, den Schrang erzählt, ist er ein verdammt lustiges Kerlchen. Bei Schrang ist immer alles „geheim“, wird immer die wahre Wahrheit verbreitet oder der „Wahnsinn“ hinter den Plänen der Eliten offengelegt. Und das alles gemischt mit einem kräftigen Schuss esoterischem Quatsch auf dem Niveau der Kalendersprüche, die ich früher immer in der Küche meiner Großeltern lesen durfte. Oder mit Schrangs eigenen Worten: „Kein Mensch hat jemals die Vergangenheit noch die Zukunft gesehen, äußerlich wahrgenommen oder gefühlt.“
„Geheimer“ als bei Schrang können Dinge kaum sein. Als der passionierte Glocken- und Gongsammler am Anfang der Corona-Pandemie ein seit acht Jahren öffentliches, hypothetisches Szenario zum Pandemieschutz zugeschickt bekommt, macht Schrang daraus folgenden Artikel: „Corona – Geheimplan der Regierung entdeckt?“ Aufgedeckt hat Schrang damit vor allem eins: Es gibt dumme Frage(zeiche)n. Aber man wird ja noch fragen dürfen. Bei Schrang formuliert man das Abrufen eines öffentlichen Dokumentes dann so: „Mir wurden brisante Unterlagen zugesandt über die ich Euch dringend informieren möchte.“ Auch am 29. August war der fleischgewordene deutsche Verschwörungs-Buddha natürlich in Berlin unterwegs. Begleitet von mehreren Kameraleuten. Wie nennt man nun ein Video, welches quasi den wichtigsten Tag seit 1945 dokumentiert? Natürlich: „29.8: GEHEIME VIDEOAUFNAHMEN!“ Ja, die Großschreibung wie im Original, er will es uns quasi die Brisanz der Aufnahmen auch digital-schriftlich ins Gesicht SCHREIEN.
Aber was unterscheidet Schrang vom Standard-Hetzer rechter Couleur? Eigentlich nur seine Kalendersprüche. Wenn er beispielsweise in einem Video sagt: „Wir alle fühlen uns irgendwie schuldig, Deutschland ist ganz besonders davon betroffen. Da redet man sogar von einer Kollektivschuld“ oder die „Dauerschleife, wo Adolf Hitler draufsteht, die läuft ja auf Hochtouren“, ist er vom klassischen extrem rechten Geschichtsrevisionismus keine Zentimeter mehr entfernt. In Deutschland sei der erste Satz von Kindern nicht „Mama Papa“ (was übrigens kein Satz ist), sondern „ich bin schuldig“. Und auch für alle NPD-Fans, die ja schon immer die „Überfremdung“ der deutschen Nationalmannschaft beklagt haben, bietet Buddhas Stellvertreter bei Youtube Anschlussmöglichkeiten, wenn er 2018 das WM-Aus folgendermaßen kommentiert: „Die Ursache für die Niederlage der ‚Mannschaft‘ liegt auf der Hand und ist nichts weiter als ein Spiegel unserer Gesellschaft […]. Denn in den letzten Jahren wurde dem fussballinteressierten Volk durch mediale Propaganda Schritt für Schritt der nationale Gedanke ausgetrieben. Den Deutschen wurde ins Unterbewusstsein implantiert, dass Deutschland nicht mehr existiert und wir jetzt in einem großen Multikulti-Experiment der offenen Grenzen leben […].“
Wenn du das auch alles so siehst, kannst du vielleicht mal bei Heiko im Shop vorbeischauen. Soll es vielleicht ein T-Shirt sein? Oder eine Mütze, oder beides? Oder vielleicht das handgearbeitete Schutzamulett aus Epoxidharz? Egal, kauf alles und noch ein Buch dazu. Aber nicht vergessen: Schickt Heiko dann noch ein Bild von euch im Shirt, mit ganz viel Glück postet er es dann auch auf seinen Kanälen. Aber lassen wir heute Heiko mal das letzte Wort: „Fangt mal an, die Dinge zu hinterfragen und fangt mal an zu googeln“!!11!!11! Word, Heiko!
Foto: Felix M. Steiner