27. Dezember 2023
Cherson, 245 Jahre alte Hafenstadt am Schwarzen Meer, hatte vor der russischen Invasion fast 290.000 Einwohner, heute ist nur noch jeder Sechste geblieben. Seit die Stadt am 11. November 2022 befreit wurde, ist ständiger Beschuss vom noch russischen besetzten linken Dnipro-Ufer schlimmer Alltag.
Die Geschosse fliegen wahllos, sie sollen zerstören und zermürben. Kliniken, Wohnhäuser, Sozialzentren und Supermärkte – den Russen ist es ganz egal, wer dort stirbt. Seit sich ukrainische Kräfte bemühen, ihre Präsenz am anderen Ufer auszubauen, verschlimmert sich die Lage zusehends.
Deshalb geht unser dritter Krankenwagen genau dorthin, in die Stadt Cherson. Und deshalb übergeben wir ihn an der Oblast-Grenze und nicht mittendrin. Ein Fahrer und ein Arzt sind gekommen, das Auto zu übernehmen.
Lange können wir reden. Wir hören, wie die Lage ist und was gebraucht wird. Der Fahrer schaut sich den RTW genau an, fragt Details ab. Er wirkt ein bisschen skeptisch, aber es ist nur Vorbereitung, um nachher keine Information zu vermissen.
Der RTW ist voll mit gespendetem chirurgischem Material. Niemand von uns möchte sich vorstellen, wie und unter welchen Umständen es sehr bald verwendet werden wird.
Hier ist der Krieg nicht nahe, sondern da.
Wir nehmen uns zum Abschied alle ganz fest in die Arme. Niemand von uns ist gläubig, aber jeder von uns betet auf seine Weise, dass alle sicher sein werden. Der Arzt, der Fahrer. Die ukrainischen Volunteers. Alle Einwohner von Cherson.
Am Nachmittag stirbt ein ukrainischer Volunteer in Cherson durch ein russisches Geschoss.
Foto: Johannes Räbel