12. September 2021
Es gibt wenig Dinge für die ich gerne Früh aufstehe.
Eines ist das Panorama, das einem nach Tagen auf See eine Küste am frühen Morgen bietet.
Es ist noch dunkel, Straßen, Dörfer und Häuser strahlen in künstlichem Licht, man sieht Autos die Straßen entlangfahren, ab und an blinken ein paar Leuchttonnen, die auf See Gefahrenstellen kennzeichnen, die Molenköpfe der Häfen heißen einen mit rotem und grünem Licht willkommen, und irgendwann erscheint der Silberstreif im Osten, der langsam in ein Rosa und dann ein immer kräftiger werdendes Orange übergeht, bis die Sonne sich vollständig blicken lässt.
Und genauso einen Bilderbuchtagesstart habe ich heute vor Portugal erleben dürfen, da wir wieder tanken mussten und zu diesem Zwecke die Marina von Vilamoura ansteuerten.
Wir liefen am späten Vormittag ein, das Beiboot wieder ausgesetzt, um uns im Bedarf in die richtige Richtung schubsen lassen zu können.
Bei solchen Manövern ist der Kapitän besonders gefragt, es gilt, einen Plan zu haben, der von Wind, Strömung und Verkehr abhängt, diesen an die Besatzung an den Leinen, den Fendern und im Beiboot zu kommunizieren und bei Änderungen anzupassen.
Unser Kapitän ist Juan, ein Spanier aus dem Norden, der eigentlich Sportlehrer werden wollte, sich nach diesem Abschluss der Nautik zuwandte, um dann zuerst bei ,,Ärzte ohne Grenzen‘‘ auf dem damals ,,Dignity‘‘ genannten und später in ,,Sea-Watch 3‘‘ umgetauften Rettungsschiff zu fahren.
Weiter ging es für ihn bei spanischen Seenotrettungsorganisationen und der Küstenwache.
Auch für Sea-Shepherd ist er schon gefahren.
Ein wirklich buntes Portfolio, daß einen reichen Erfahrungsschatz nach sich zieht und ihn in Stresssituationen zum Ruhepol auf der Brücke werden lässt.
Das könnte noch von Vorteil sein, denn im Moment, in dem ich diesen Text schreibe, laufen wir die Straße von Gibraltar an, die Meerenge , die Europa von Afrika trennt.
Dort ist immer viel los, Schiffe fahren in und aus dem Mittelmeer in Ost-/Westrichtung, Fähren in Nord-/Südrichtungen zwischen Afrika und Europa, dazwischen fischt auch noch der ein oder andere Fischer, und nebenbei sind Küstenwache und Zoll aktiv.
Deswegen gehe heute früh ins Bett, denn ich fürchte, meine nächste Wache wird nicht langweilig werden.
Fotos: Leon Salner