31. Mai 2023
Zwischen der MARWA und den vielen anderen gemeldeten Positionen der Boote liegen jeweils mehrere Tagesreisen – das Suchgebiet ist einfach riesig, die Entfernungen sehr groß. Wir können uns selbst kaum vorstellen, wie es sein muss, tagelang auf einem der Holzboote zu sitzen, keine Möglichkeiten zu haben vernünftig zu schlafen oder zu essen, oder eine Toilette benutzen zu können und immer die Ungewissheit und die Angst, ob man je wieder festen Boden unter den Füßen haben wird.
Nach einem wetterbedingten Zwischenstopp auf El Hierro geht es dann zunächst zurück nach Teneriffa wo kleinere Reparaturen am Boot vorgenommen wurden. Nach drei Tagen im Hafen konnte es wieder losgehen obgleich sich das Wetter stark verschlechtern sollte. Die Bedingungen auf dem Atlantik sind rau. Auch unser kleines Boot kann dort schnell an seine Grenzen gelangen. Doch während wir mit Navigations- Funk- und Sicherheitstechnik ausgestattet sind, fahren die Holzboote mit Geflüchteten oftmals ohne jegliches Equipment, navigieren nach den Sternen oder auf Sicht und gut ‚Glück‘. Es grenzt fast an ein Wunder, dass es hin und wieder auch Boote bis auf die Inseln schaffen.
Zwei Wochen später, es ist bereits Mitte Mai, beendet die Crew der Marwa ihren Einsatz auf dem Atlantik. Ein Boot in Seenot konnten wir nicht finden. Jedoch hörten wir wieder regelmäßig über Funk von Menschen, die, die gefährliche Überfahrt wagen. Wieder hörten wir, dass die Rettungsleitstelle alle Schiffe in der Region dazu auffordert intensiv Ausschau zu halten, weil bei dem ein oder anderen Boot keine genauen Positionsdaten vorhanden sind. Wir hörten von einmal 47 Geflüchteten, einmal 94, einmal 36 Menschen, die glücklicherweise von Salvamento Maritimo gerettet worden sind. Und auch auf dem Rückweg hörten wir erneut den Funkspruch, dass das Boot, welches am 22.04.2023 aus Dakar im Senegal gestartet ist, noch immer gesucht wird. Seit nunmehr 16 Tagen. Mit ihm die Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben ein neues Leben zu beginnen. Ob sie je gefunden werden? Wir wissen es nicht.
Wir packen unsere Sachen und werden nun wieder nach Hause fliegen. Mit dem Wissen, dass hier täglich Menschen um ihr Überleben kämpfen müssen. Sie können nicht einfach in ein Flugzeug steigen. Die europäische Abschottungspolitik zwingt sie dazu, den gefährlichen Weg über das Wasser zu nehmen und jeden Tag verlieren mehr als vier Menschen hierbei ihr Leben.
Fotos: Hermine Poschmann, Anja Taubert