24. Mai 2023
Kolumne von Özge Inan
Auf dem Spiegel-Cover: Habeck. In den Twitter-Trends: Habeck. In den Tagesthemen: Habeck. Nach dem alten Witz traut man sich nicht einmal mehr, den Kühlschrank zu öffnen. Sie haben die Sache mit dem Heizungsgesetz verbockt, die Herrschaften der Ampelregierung, es ist nicht anders zu sagen. Einen sinnvollen Gegenvorschlag gibt es bis heute nicht, und die Union sieht ihre Gelegenheit gekommen, endlich Sturm zu laufen und sich wieder mal als letzte Bastion deutscher Normalität zu inszenieren.
Deutsch und normal – war da nicht was? Wir erinnern uns: 2021, Superwahljahr, die AfD profitiert zwar vom pandemischen Querdenker-Boom, hat aber sonst kaum Themen, mit denen sie sich profilieren könnte. Entsprechend uninspiriert fällt dann auch das Motto ihres Wahlprogramms aus: Deutschland, aber normal. Jetzt, zwei Jahre später, steht die rechtsextreme Partei in der neuesten Sonntagsfrage bei bis zu 17 Prozent. So hohe Werte hatten sie seit fünf Jahren nicht mehr. Wo die sogenannte bürgerliche Mitte die Verantwortung verortet, ist klar. „Mit ihren politischen Schwerpunkten und einer Sprache, die allenfalls in der rot-grünen Szene auf Begeisterung stößt, entfernt sich die Ampel immer mehr von den ganz alltäglichen Sorgen der Menschen“ zitiert die Bild-Zeitung etwa CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach. Das Springerblatt, ganz serviceorientiert, liefert diese ganz altäglichen Sorgen gleich mit, die „Migrationskrise“ beispielsweise. „Die Heime sind voll und freie Wohnungen rar“, Zusammenhänge aus dem kleinen Einmaleins des Rechtspopulismus, außerdem seien die EU-Außengrenzen „löchrig“ und die Binnengrenzen „weitgehend kontrollfrei“. Gemach, gemach, möchte man den Schreiberlingen zurufen, die Asylreform ist ja unterwegs.
Aber gewisse Zusammenhänge zwischen den zahlreichen Debakeln der Ampel und den Zuwächsen bei Union und AfD lassen sich nicht von der Hand weisen. Was also tun? Sich trotzig hinter die Bundesregierung und ihre in der Tat unsoziale Politik zu stellen, wie es offensichtlich grünen-sympathisierende Stimmen im Diskurs grade tun, kann nicht der richtige Weg sein. Das Kind beim Namen nennen, die Ampel angreifen und tatsächliche Alternativen – links, nicht rechts von ihr – populär machen, das ist das Gebot der Stunde. Mit der Linkspartei in ihrem aktuellen Zustand kann man davon allerdings nur träumen.
Foto: Timo Schlüter