Happy Valentine

Happy Valentine

16. Februar 2021

Kolumne von Hatice Akyün

Bin ich froh, dass ich den Valentinstag wieder heil überstanden habe. Außer einer, der mir seit Jahren immer eine SMS mit „Happy Valentine“ schickt, bin ich verschont geblieben. Ich habe mich diesmal auch mit meinem Zynismus zurückgehalten. Im letzten Jahr schrieb ich: „Lasst mich in Ruhe mit euren Blumen und Pralinen, ich will die Hälfte der Welt.“ Tja, hat leider auch in diesem Jahr nicht geklappt. Schade eigentlich, denn die Corona-Pandemie hat offen freigelegt, wie es um die Gleichberechtigung steht: Die Frau kümmert sich im Homeoffice um das Mittagessen, ihren Job und die Termine beim Kinderarzt.

Erinnern Sie sich noch an dieses Video vor vier Jahren, in dem ein Professor einem Fernsehsender per Videoschalte aus seinem Arbeitszimmer ein Interview gibt? Während des Gesprächs läuft zuerst die 4-jährige Tochter rein, dann der Sohn im Lauflernstuhl und am Schluss die Mutter, die beide aus dem Zimmer zerrt, weil die gar nicht hätten dort sein dürfen. Eine lustige Szene, die sich Millionen Menschen auf der ganzen Welt angeschaut haben. Auch ich habe damals herzlich gelacht. Heute würde mir das Lachen im Hals stecken bleiben, denn das Leben einer berufstätigen Mutter im Homeoffice sieht so aus, nur kommt nie ein Mann rein und nimmt die Kinder mit. Wir kochen während des Interviews das Abendessen, wickeln das Baby, flechten der Tochter Zöpfe, wechseln die Glühbirnen aus, entwickeln ein Heilmittel für Krebs, verhandeln erfolgreich den Weltfrieden und retten dem vergrippten Ehemann das Leben.

Eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat übrigens ergeben, dass in der Pandemie Frauen weiterhin den größten Anteil im Haushalt und in der Carearbeit leisten. 69 Prozent kümmern sich um das Kochen, die Kinderbetreuung und das Homeschooling, aber nur elf Prozent Männer. Ich habe jetzt schon oft von einem Rückfall in alte Rollenbilder gelesen. Warum eigentlich Rückfall, diese Verteilung war noch nie weg, nur wurde nicht darüber gesprochen. Wie albern und aus der Zeit gefallen so ein Valentinstag mit diesem Hintergrundwissen mittlerweile wirkt. Aber keine Sorge, bald ist wieder Frauen- und Muttertag. Genug Möglichkeiten, mit einer Blumenschlacht davon abzulenken, wie ungerecht die verbriefte Gleichberechtigung noch immer aufgeteilt ist.

Seit 1999 gibt es übrigens auch einen Männertag. Er ist am 3. November und hat das Ziel, männliche Vorbilder zu stärken. Ich feiere ihn gerne mit, wenn Männer und Frauen in jedem Bereich auf Augenhöhe begegnen. Denn wir brauchen Männer, die der heranwachsenden Generation von Töchter und Söhnen vorleben, gute Väter, Partner und Vorgesetze zu sein.

In der Schule überholen Mädchen längst die Jungs, an den Universitäten machen Frauen bessere Abschlüsse und im Beruf hängen Frauen Männer so lange ab, bis sie sich entscheiden, ein Kind zu bekommen. Die Frauen sind die große Verliererinnen der Gleichberechtigung. Sie sind es, die dafür sorgen, dass der Alltag nicht im Chaos endet. Und dabei ist es egal, ob sie zu Hause bleiben oder berufstätig sind.

Ganz ehrlich? Manchmal sehne ich mich nach dieser alten Zeit, von der meine Mutter mir erzählt, wenn ich erschöpft, ausgebrannt, heulend in ihren Armen liege uns sage: „Ich kann nicht mehr.“ Diese Zeit war so schön übersichtlich und eindimensional. Heute gehen Frauen neben Küche, Wäsche, Einkaufen, Kind von der Schule abholen, Hausaufgaben kontrollieren noch das Geld verdienen. Frauen organisieren, damit der Alltag nicht wie ein Kartenhäuschen zusammenfällt.

Zugegeben, es gibt Männer, die ihre Frauen unterstützen, im Haushalt mithelfen, die Kinder aus der Kita abholen, wenn die Frau ihnen sagt, dass sie die Kinder aus der Kita abholen sollen. Aber ist das gelebte Gleichberechtigung? Frauen brauchen keine Unterstützung, sie wollen keine Hilfe, schon gar nicht wollen sie Blumen. Frauen wollen, dass der Alltag gleichberechtigt aufgeteilt ist. Und, dass die Männer die Hälfte der Verantwortung für alles übernehmen. Jeden Tag, rund um die Uhr und nicht nur dann, wenn er es mit seinem Beruf vereinbaren kann.

Foto: Oliver Mark

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