02. Februar 2021
Kolumne von Michael Bittner
Vor einigen Jahren geriet der kleine Inselstaat Malta in die Schlagzeilen. Zunächst wollte man dem Rettungsschiff „Lifeline“ mit Geflüchteten an Bord die Einfahrt in den Hafen verweigern, dann machte man dem Kapitän Claus-Peter Reisch den Prozess. So viel Ärger, der sich so einfach hätte vermeiden lassen! Denn Malta zeigt sich keineswegs prinzipiell verschlossen für Fremde. Ganz im Gegenteil: Der Staat ist sehr großzügig bei der Vergabe seiner Staatsbürgerschaft an Menschen, die sich auch großzügig zeigen. Hat man die richtigen Anwälte und findet Gehör bei den zuständigen Beamten, kann man sich einen maltesischen Pass einfach kaufen, so berichtet Sven Giegold, grüner Abgeordneter im Europäischen Parlament. Warum nur sind die Flüchtenden zu geizig, 600000 Euro für einen EU-Pass zu bezahlen? Man würde sie in Europa mit offenen Armen empfangen, statt ihnen mit dem Tod auf offenem Meer zu drohen!
Nicht nur Malta, sondern auch Zypern verdient Milliarden mit dem Verkauf der Staatsbürgerschaft. Wohlhabende Chinesen, Russen und Araber nutzen solche Angebote gerne. Einigen von ihnen ist daheim die Polizei auf der Spur, da sorgt ein Zweitwohnsitz in Europa für Erleichterung. Sogar die Alpenfestung des Kreuzritters Sebastian Kurz lässt das Burgtor für Fremde herunter, wenn diese als Investoren nur genügend Geld mit nach Österreich bringen. Wer immer noch glaubt, im Streit um „offene Grenzen“ gehe es tatsächlich darum, ob Grenzen durchlässig sein sollen, der irrt also. Es geht darum, für wen die Grenzen offenstehen und für wen nicht.
Wir Europäer haben in den vergangenen Jahrhunderten auf der ganzen Welt die Türen eingetreten und uns uneingeladen breitgemacht. Nun empören wir uns darüber, dass einige der Bewohner unserer früheren Kolonien bei uns anklopfen. Bewohner des reichen Nordens haben, wenn nicht gerade eine Seuche die Schranken schließt, noch immer nicht die geringste Mühe, Grenzen zu überschreiten. Ihr Geld öffnet ihnen wie ein Zauberwort alle verschlossenen Pforten. Auch wer daheim gar nicht als besonders wohlhabend gilt, wird als Tourist im Süden wie ein König begrüßt. Wer es sich leisten kann, erwirbt gleich ein Häuschen fürs Alter. Die Träume der Menschen aus dem Norden von südlicher Sonne werden regelmäßig wahr. Wer sich aus dem Süden auf den Weg nach Norden macht, stößt hingegen nicht nur klimatisch auf Kälte.
Überall gern sieht man Unternehmer, die Geschäfte treiben. Für das Menschenrecht von Managern, grenzüberschreitend Profit zu machen, streiten sogar Leute, die sonst von Freizügigkeit nichts wissen wollen. Sie nehmen sogar Gegenbesuche in Kauf. Araber, die Chipfabriken bauen lassen, oder Russen, die Fußballvereine kaufen, bedrohen offenbar „unsere Kultur“ weit weniger als Einwanderer, die Habenichtse sind. Man sieht erstaunt: Auch Kapitalisten kennen Solidarität. Es ist die Brüderlichkeit von Männern, die genug Geld besitzen, sich die Mitgliedschaft im Bund der Reichen zu erkaufen. Alle, die nicht dazu in der Lage sind, scheitern allerdings am Türsteher. Dieses Prinzip gilt auf dem Mittelmeer ebenso wie vorm exklusiven Businessclub.
Foto: Amac Garbe