24. Mai 2022
Kolumne von Özge
Deutschland, aber normal – das war der Wahlspruch der AfD zur Bundestagswahl 2021. Die Abgeordneten ihrer Bundestagsfraktion sind homofeindlich, träumen von einem Bürgerkrieg und mögen ihre Vorsitzende nicht. So lauten die wesentlichen Erkenntnisse einer gemeinsamen Recherche von WDR und NDR, in der die fraktionsinterne Chatgruppe „Quasselgruppe“ ausgewertet wurde. In der ARD-Mediathek ist seit dem letzten Freitag ein knapp 45-minütiger Film zu sehen, begleitet von Stellungnahmen einiger Gruppenmitglieder und weiterer Abgeordneter. Wir sehen eine konsternierte Alice Weidel, eine betont gutbürgerliche Joana Cotar, einen wie immer stumpf-rotzigen Stephan Brandner und einen kruppstählernen Hansjörg Müller. Was wir nicht sehen, sind Neuigkeiten. Zu gewohnt ist das alles, zu herkömmlich. Der Empörungsmotor will einfach nicht anspringen.
Es ist trotzdem ein lohnenswerter Film, nicht zuletzt für alle, die den wirklich immensen journalistischen Arbeitsaufwand bestaunen wollen. 40.000 Nachrichten wurden gesichtet. Die brisanteste von ihnen enthält den Appell, sich für die „kommenden gnadenlosen Kämpfe“ zu rüsten, die auf den Fall des „Regimes“ folgen werden. Nur konsequent für eine Partei, die nicht nur ideologisch einen Brand nach dem anderen legt, sondern laut Erkenntnissen des Recherchezentrums CORRECTIV in Waffengeschäfte mit der militanten Neonaziszene verwickelt ist. In dieser Recherche taucht auch ein aus dem Film bekanntes Gesicht auf. Quasselgruppenmitglied Hansjörg Müller überwies 800 Euro an den rechtsextremen Waffenhändler Alexander R., nicht zu verwechseln mit Mario R., dessen Onlineshop mit dem klangvollen Namen „Migrantenschreck“ 2018 Schlagzeilen machte. Die von Müller gezahlte Summe entspricht dem Kaufpreis der meisten von Alexander R. angebotenen Waffen.
Es sitzen also Rechte im Bundestag, die nicht vor dem Einsatz von Waffengewalt zurückschrecken. Auch wenn inzwischen sämtliche Altnazis aus der CDU/CSU-Fraktion das Zeitliche gesegnet haben, können wir beruhigt sein: Deutschland bleibt normal.
Foto: Timo Schlüter