19. Januar 2021
Kolumne von Hatice Akyün
Wir haben ein Männerproblem. Entschuldigen Sie, dass ich so hereinpoltere. Aber mit diesem Satz bekomme ich ganz sicher Ihre volle Aufmerksamkeit. Lassen Sie mich das kurz erklären: Am letzten Sonntag wählte die CDU ihren neuen Vorsitzenden. Drei Männer und 0 Frauen standen zur Auswahl: Armin Laschet, Norbert Röttgen und Friedrich Merz.
Dass Armin Laschet es geworden ist, wissen Sie längst. Mir geht es um eine kurze Passage in der Rede von Friedrich Merz. Er sagte: „Auch diejenigen, die sozial schwach sind, finden gerade bei uns ein Herz und Zuwendung – und lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort zu den Frauen sagen. Wenn ich wirklich ein Frauenproblem hätte, wie manche sagen, dann hätten mir meine Töchter längst die Gelbe Karte gezeigt – und meine Frau hätte mich nicht vor 40 Jahren geheiratet.“
Ja, das hat er wirklich gesagt, und genau in dieser Reihenfolge, mit dieser Überleitung. Nun kann man sagen, ist ihm vielleicht so rausgerutscht, aber es ist nicht das erste Mal, dass Merz mit frauenfeindlichen Sätzen aufgefallen ist.
Was mich aber besonders irritiert ist, dass Merz im Jahr 2021 die Zuschreibung sozial schwach verwendet und mit Frauen in Verbindung bringt. Entweder er tickt so oder aber er weiß ganz genau, wie er seine Fans an den Stammtischen mit Schenkelklopfer-Sprüchen bei Laune halten kann. Schon deshalb sollte sich die CDU gut überlegen, ob sie in diesem wichtigen Bundestagswahljahr mit ihm zurück in die Zukunft will. Denn auch wenn sie den aus der Zeit gefallenen Merz einbinden sollte, wird er keine Ruhe geben. Dafür ist er viel zu sehr überzeugt von sich. Merz vermittelt den Eindruck, es ginge gar nicht um Deutschland, sondern ausschließlich um ihn und die Ausstattung des Amtes, das er zur Rettung der CDU bereit wäre anzunehmen. Hinzu kommt, dass er jedes Mal, wenn ihm etwas nicht passt, eine Drohkulisse aufbauen würde, nur, um Unruhe zu stiften. So wie er es tat, als er sich kurz nach der Abstimmung als Wirtschaftsminister anbot, obwohl der Posten weder vakant ist noch vom Parteivorsitzenden entschieden werden kann.
Noch eines sollte im Hinblick auf Merz von der CDU bedacht werden: Eine ganze Generation junger Menschen schaut gerade genau hin, was die Partei macht. Und falls Merz wirklich damit durchkommen sollte, muss die CDU ihnen nicht nur erklären, warum man in dieser Partei keinen Wert auf Anstand legt und mit Erpressung weiterkommt, sondern auch damit rechnen, dass sie den Hashtag #niewiederCDU mit ihrer Stimme wahr macht. Die PR-Managerin Kristina Faßler schrieb in einem Tweet: „Was meine Meinung zu Merz geprägt hat: Merz zu Greta Thunbergs Auftritt bei der UN: „Also ganz ehrlich, meine Tochter hätte ich da nicht hingelassen. Auf der einen Seite ist das Mädchen bewundernswert, aber auf der anderen Seite ist sie krank.“
Übrigens, wer glaubt, Angela Merkel hätte einen Frauenbonus gehabt, der irrt sich. Frauen wählen sogar Männer, wenn sie nicht gerade ein selbstverliebtes Verhalten an den Tag legen und uns Frauen nicht als Wählerklientel sehen, sondern unsere Lebenssituationen ernst nehmen. Merkel war jedes Gegockel der politischen Männerkaste fremd. Sie kräht ihre Widersacher nicht vom Hof, sie schafft klare Fakten. Zu den Ministerambitionen von Merz ließ sie über ihren Sprecher mitteilen: „Die Bundeskanzlerin plant keine Regierungsumbildung.“
Wer aber nun meint, sich zurücklehnen zu können, weil Frauenfeindlichkeit ihn ja nicht betrifft, den muss ich enttäuschen. Frauenfeindliche Sprüche gibt es überall, aber die meisten Frauen, die es im Alltag trifft, die Verkäuferin, die Sekretärin, die Redakteurin oder die Assistentin des Politikers, haben nicht die Möglichkeit, sich zu wehren. Umso wichtiger ist es, dass alle – Frauen und Männer – ihre Stimme gegen Misogynie erheben.
Foto: Oliver Mark