20. September 2020
Kolumne von Lamya Kaddor
Die Haltungen in der AfD zum Thema Flüchtlinge sind mir zuwider, aber sie sind wenigstens eindeutig. Und das hilft. Wenn die AfD spricht, weiß man, woran man ist. Schlimmer ist es, wenn ähnliche Ansichten von Parteien der Mitte formuliert werden.
Das war schon bei Thilo Sarrazin so. Wäre er Mitglied der AfD, in die er eindeutig gehört, wäre der Schaden, den er diesem Land zugefügt hat, vermutlich geringer ausgefallen. Erst sein SPD-Parteibuch verlieh ihm den Ruf, ein Mann der Mitte zu sein, was seinen kruden Äußerungen eine viel größere Aufmerksamkeit verschaffte.
Wenn nun, sagen wir beispielsweise, Alice Weidel gegen die Aufnahme von Geflüchteten aus dem abgebrannten Moria argumentieren würde: „Dieser Gewaltausbruch einiger darf nicht belohnt werden”, könnte man einfach einen Haken dranmachen. Von ihr erwartet man nichts anderes. Der Satz kam jedoch von Hessens Europaministerin Lucia Puttrich. Sie ist in der CDU.
Lucia Puttrich fügte noch hinzu: „Die Bilder des brennenden Flüchtlingscamps lassen uns auch fragen, was einige Menschen dazu bringt, ihre sichere Unterkunft in Europa anzuzünden.” Wie bitte kann man von Moria als „sicherer Unterkunft” sprechen? Das ist zynisch.
Außerdem ist es unmoralisch und mit europäischem Strafrecht unvereinbar, Unbeteiligte für eine mutmaßliche Brandstiftung durch einige wenige in Sippenhaft zu nehmen. Allzumal auch Rassisten das Feuer gelegt haben könnten, da die Wahrheit noch nicht gefunden ist (https://www.zeit.de/2020/39/moria-brand-fluechtlingslager-brandstiftung-griechenland). Abgesehen davon ist die Brandstiftung im übertragenen Sinn schon lange vorher von all jenen europäischen Staaten begangen worden, die durch ihre Verweigerungshaltung bei der Aufnahme von Geflüchteten Moria erst ermöglicht haben.
Indem sich nun die Vertreterin einer Partei der Mitte, zugleich im Range einer Ministerin, in dieser Weise äußert, macht sie inhumane Haltungen weiter hoffähig. Lucia Puttrich trägt AfD-Gedankengut tiefer in die Mitte der Gesellschaft hinein, selbst wenn das nicht ihre Absicht gewesen sein sollte. Solche Stellungnahmen wie ihre sind daher aus meiner Sicht fataler, als wenn sie aus der AfD kommen.
Foto: FH Münster