20. April 2021
Kolumne von Hatice Akyün
Mein Gott, ich weiß gar nicht, was ich dazu noch sagen soll. Wenn es nicht so unendlich traurig wäre, könnte ich den ganzen Tag über das Gockelhafte von Armin Laschet und Markus Söder lachen. Aber das Lachen bleibt einem im Hals stecken, wenn man sich die Todeszahlen anschaut. In Deutschland sind seit Beginn der Pandemie vor über einem Jahr 80 000 Menschen an oder mit dem Virus gestorben. Über 40. 000 Menschen allein in diesem Jahr. Und dieses Jahr zählt gerade mal bis April. Verzweifelt schlagen Klinik-Leitungen seit Wochen Alarm, dass die Intensivstationen an der Kapazitäts-Grenze sind. Und was machen Söder und Laschet? Sie präsentieren der Republik einen peinlichen Gockelkampf. „Habt ihr keine anderen Sorgen“, möchte man ihnen zurufen.
Wie grotesk der Kampf der alten Alpha-Männer wirkt, aber vor allem wie sehr ihr Verhalten aus der Zeit gefallen ist, zeigt, wie normal es uns mittlerweile vorkommt, wenn Politik ohne Skandale und Gehässigkeiten auskommt. Eine wahre Wohltat war das, wie Grünen-Chef Robert Habeck gestern seiner Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock die Bühne als Kanzlerkandidatin überlassen hat.
Es gibt ein türkisches Sprichwort, das den Kampf von Laschet und Söder um das Kanzleramt ganz gut zusammenfasst: „Zwei Hähne im Haus bereiten einen mühevollen Morgen.“
Die beiden sind sich selbst ihre größten Feinde. Ein wenig erinnern sie an Dr. Jekyll und Mr. Hyde, allerdings in zwei Personen. Es wäre gut, wenn jemand die beiden mal mit der Selbst- und Fremdwahrnehmung konfrontieren könnte. Gockeln in der Politik ist kein Alleinstellungsmerkmal der beiden. Erfunden hat es ja eigentlich Friedrich Merz mit seinem besten Schüler Christian Lindner.
Konrad Adenauer, Willy Brandt, Franz Josef Strauß, Helmut Kohl, Johannes Rau, Gerhard Schröder und Frank-Walter Steinmeier kandidierten schon für das Amt des Kanzlers. Nur wenige schafften es bis ins Amt, die anderen kämpften mehr oder weniger aussichtslos. Wer um das höchste Wahlamt antreten darf, ist etwas Besonderes. Laschet und Söder vermitteln aber den Eindruck, es ginge ihnen gar nicht um Deutschland, sondern ausschließlich um sie selbst.
Ich hoffe nur, dass dieses unwürdige Spiel schnell ein Ende findet. Denn es schadet nicht nur ihnen selbst, sondern sorgt auch dafür, dass viele Wählerinnen und Wähler den Respekt vor der Politik verlieren. Und in Zeiten einer großen Krise, hat das fatale Folgen für unsere Demokratie.
Angela Merkel und Annalena Baerbock ist dieses selbstverliebte Verhalten der Männer fremd. Beiden ist jedes Gegockel der politischen Männerkaste fremd. Sie krähen ihre Widersacher nicht vom Hof, sie schaffen, wenn nötig, einfach Fakten, während die anderen ihren Größenwahn ausleben.
Über 80 Millionen Menschen warten in Deutschland auf eine bessere Regierung, die sich endlich den echten Problemen stellt. Und Politiker, die sich nur um sich selbst drehen, tragen mit die Schuld, dass wir nicht nur in einem Dauerlockdown gefangen bleiben, sondern auch, dass noch mehr Menschen sterben.
Foto: Oliver Mark