26. Januar 2021
Kolumne von Özge
Wahlkampfsprache ist Marketingsprache. Und genau wie bei der Vermarktung eines Produktes wird auch in der Wahlwerbung penibel darauf geachtet, möglichst wenig zu sagen, was hinterher tatsächlich nachgeprüft werden könnte. Am Ende verlangen die Leute noch, dass man sich daran hält und das kann nun wirklich niemand wollen – bis auf die eigene Wähler- bzw. Kundschaft vielleicht. Aber die ist bekanntlich immer dann am interessantesten, wenn es um die Frage geht, wie man ihre Anzahl erhöht.
Wer seine Enttäuschung über inhaltslose Aussagen äußert, wird aus politisch und medial versierten Kreisen gerne belächelt. Weiß doch nun wirklich jeder, der mehr als zwei Legislaturperioden mitgemacht hat, dass in Wahlkampfzeiten nicht konkret kommuniziert wird. Und von Regierungsparteien schon mal gar nicht. Die Großen am Markt müssen nicht beweisen, dass sie das beste Produkt zu bieten haben, sie müssen ihre Kunden nur immer wieder daran erinnern, wer sie sind. Und so wirbt Apple ganz ungeniert mit der Tatsache, dass man kein iPhone hat, wenn man kein iPhone hat, und die CDU holte 2017 ein knappes Drittel der Stimmen mit der Aussicht auf „ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. „Wer nicht die CDU wählt, hat nicht die CDU gewählt“ war dann wohl doch einer zu viel, aber wesentlich weniger Inhalt hat dieser Spruch auch nicht.
Der Wahlkampf wird in wenigen Monaten Fahrt aufnehmen und die CDU, deren Umfragewerte im Zuge der Pandemie angestiegen sind, wird uns daran erinnern wollen, wer sie ist. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn gerade diejenigen, die sich mit politischer Kommunikation auskennen, die Phrasendrescherei endlich in der Form skandalisieren würden, die sie verdient. Wer seinen Gesprächspartner ernst nimmt, versucht ihn nicht ständig durch wohlklingende und nichtssagende Plattitüden auf seine Seite zu ziehen. Wer sein Gegenüber respektiert, vermittelt ihm Inhalte, statt Wörter, die in Meinungsforschungsstudien gut abschneiden, beliebig aneinanderzureihen.
Im berühmten Märchen hatten die Minister des Kaisers zu große Angst um ihren Status am Hof, um die offensichtliche Wahrheit auszusprechen. Aber die Tatsache, dass man uns Wahl für Wahl leere Phrasen vorsetzt, weil man uns nicht ernst nimmt, muss endlich problematisiert werden. Sonst haben wir im September wieder die Wahl zwischen „Gemeinsam Zukunft gestalten“ und „Zukunft gemeinsam stärken“ und fragen uns, wann endlich mal jemand zugibt, dass der Kaiser gar nichts an hat.
Foto: Özge