23. Februar 2021
Kolumne von Özge
Georg war Clubmitarbeiter, liebte seinen Job – und wurde durch die Coronapandemie erst arbeits- und dann wohnungslos. Wie er sich jetzt durchschlägt und wie die Politik das hätte verhindern können, hat er mir in einem Interview erzählt.
Was ist dir in der Pandemie passiert?
Ich war Mitarbeiter eines Berliner Clubs. Meine Wohnung gehörte einem Privatvermieter. Nachdem ich dann im ersten Lockdown erst mal kein Einkommen mehr hatte, hatte ich gehofft, dass es zeitnah wieder besser wird und den Sommer über Mietschulden gemacht. Mit dem zweiten Lockdown wurde aber klar: es wird nicht besser, ich muss die Wohnung kündigen. Zum 31.12. bin ich dann raus.
Wie ging es im neuen Jahr für dich weiter?
Ich bin jemand, der andere nicht mit seinen Problemen belasten möchte und auch selbst seine Ruhe braucht. Ich kenne zwar viele Leute, natürlich kann ich mal hier, mal da auf der Couch… aber den Leuten meine Situation zu erklären, das ist mir unglaublich unangenehm – selbst meine Familie weiß nicht, dass ich mich im Moment von einem Schlafplatz zum nächsten hangel. Die letzten zwei Nächte hab ich in einer Notunterkunft verbracht. Diese Unterkunft ist okay, da wird täglich gereinigt und frische Bettwäsche bezogen, aber von anderen weiß ich, dass es teilweise echt schlimm ist. Dass man beklaut wird, dass nachts Leute unter Drogeneinfluss in dein Zimmer kommen und so… Es gibt wenig Plätze, und jetzt, wo die Wagenburg am Ostkreuz geräumt wurde, sind da auf einmal ein Haufen Leute, die vorher wenigstens irgendeine Bleibe hatten, die jetzt zum Beispiel in der S-Bahn pennen. Es wird immer mehr. Ich hab den Eindruck, dass sich immer mehr Leute wohnungslos rumtreiben müssen. Das macht es auch schwieriger, über diese staatlichen Wohnungsgesellschaften eine Wohnung zu bekommen.
Und ohne Wohnung eine neue Arbeit zu finden, geht halt einfach nicht. Wirklich nicht. Und mit Hartz IV – wenn man keinen Kühlschrank hat, keinen Herd, keine Waschmaschine, ist das tägliche Leben unglaublich teuer. Deswegen verkaufe ich die Karuna-Zeitung in der S-Bahn. Ansonsten kommt man nicht über die Runden.
Was bewältigt man diese Art des Gelderwerbs?
Ganz ehrlich, ohne die Zeitung könnte ich niemals nach Geld fragen. Wenn Leute keine Zeitung wollen und mir trotzdem Geld geben, was oft passiert, ist das wahnsinnig schwer. Als ich damit angefangen habe, musste ich aufpassen, dass ich nicht mit Tränen in den Augen durch den Zug laufe. Weil ich nicht wollte, dass die Leute denken, ich spiele das Opfer oder so. Dann lieber erst mal aussteigen, Nase putzen und wieder einsteigen. Und dann mit guter Laune und mit erhobenem Kopf sagen: Leute, so und so ist es, ich würd mich freuen, wenn ihr mir eine Zeitung abkauft, Punkt.
Wie hätte all das verhindert werden können?
Es ist doch so: mein Einkommen bricht weg, ich weiß nicht, wie lange, und am Ende stehe ich ohne Wohnung da. Hätte man im letzten Frühjahr kommuniziert, dass es unter Umständen länger dauern wird, wäre ich das alles ganz anders angegangen. Die Politik hätte von Anfang an einen klaren Plan machen müssen: wenn die Zahlen sich so und so entwickeln, wird genau das und das passieren. Klare Ansagen, klare Perspektiven, auf die sich die Leute einstellen können. Und es hätten schneller Gelder zur Verfügung gestellt werden müssen. Die ganzen Kulturschaffenden, die Clubszene, die Veranstalter, da kam von den angepriesenen Hilfen ganz lange erst mal gar nichts an.
Wie geht man emotional damit um, wenn einem innerhalb von einem Jahr alles wegbricht?
Unser Club war einfach ein super Team, eine Familie, die zusammengewachsen ist. Ich war mit meinem Job der glücklichste Mensch der Welt, wirklich. Wir haben das alle richtig mit Herzblut gemacht. Und mit einem Mal wird einem das weggenommen. Da könnte ich richtig heulen, wenn ich darüber nachdenke. Zum Glück habe ich vor ein paar Jahren mein Abi nachgemacht, wenn ich eine Wohnung finde, will ich ein duales Studium anfangen und mich umorientieren. Aber das erste, was man braucht, egal, was man machen will, ist halt eine Wohnung.
Foto: Özge