Ein wahrer Berg an Hilfsgütern steht Anfang Januar bei uns im Lager. Generatoren, Rollstühle, medizinisches Material, Kerzen, Batterien. Auch zwei große Kartons an warmen Pullovern, die unsere Shop-Kunden gespendet haben. Zwei Stunden Tetris, dann ist alles irgendwie drin in unserem großen Transporter, und es kann losgehen – nach Odesa. Mit dabei: Hermine, Vitalij, Amrei und Thomas.
Vitalij fährt die meiste Zeit. Er hat über den Jahreswechsel seine Familie besuchen können und zum ersten Mal seinen neugeborenen Sohn gesehen, nach fünf Monaten. Seine Familie ist in Sicherheit, aber er fährt zurück ins Ungewisse und in die Gefahr. Seine Gedanken können wir nicht lesen, nur erahnen.
Am späten Abend des zweiten Tages erreichen wir die Grenze zu Moldau. Unser ganzer Festmeter an Papier reicht leider nicht. Ohne Vitalijs Verhandlungsgeschick würden wir wohl noch heute dort herumstehen. So aber kommen wir nach vier Stunden weiter und erreichen halb drei Uhr nachts Chisinau.
Dort holen wir eine Kollegin ab und machen uns auf den Weg nach Palanca zum Grenzübergang. Unser Sprinter hängt fast so in den Seilen wie wir, als wir erneut aufgehalten werden. Die Ukraine hat ein neues Deklarationsformular. So verbringen wir Stunden mit dem Ausfüllen und wühlen Kartons heraus, bis kurz nach 10 Uhr am Abend alles passt. Dann bleibt nur noch ganz wenig Zeit, um rechtzeitig zur Sperrstunde Odesa zu erreichen.
Und wir schaffen es. Wir kommen in der Stadt an, in der wir versuchen zu helfen. Die Stadt liegt im Dunkel.
Ausgepackt wird später. Und angepackt sowieso.
Foto-Header: Hermine Poschmann