Die EU muss Lukaschenko das Schleuserhandwerk legen

Die EU muss Lukaschenko das Schleuserhandwerk legen

07. November 2021

Kolumne von Ruprecht Polenz

In Minsk angekommen, werden sie in Bussen zur polnischen oder litauischen Grenze gebracht. Ein paar Kilometer vorher müssen sie aussteigen und werden sich selbst überlassen: Schlagt euch irgendwie durch, denn nach Belarus dürft ihr nicht zurück.

Lukaschenko benutzt diese Menschen, um die EU unter Druck zu setzen. Die EU soll gezwungen werden, die Sanktionen gegen Belarus aufheben. Nachdem sich Europas dienstältester Diktator wieder ins Präsidentenamt gefälscht hatte, hatte die EU Sanktionen gegen Belarus verhängt, weil er die monatelangen Proteste gegen ihn immer brutaler unterdrückt und tausende aus politischen Gründen inhaftiert hatte.

Die Sanktionen waren weiter verschärft worden nachdem Lukaschenko am 24. Mai eine Ryanair-Maschine, die auf einem Direktflug von Athen nach Vilnius war, mit Abfangjägern zu einer Landung in Minsk gezwungen hatte. Der an Bord befindliche, regimekritische belarussische Journalist Roman Protassewitch und seine Freundin Sofia Sapega waren von belarussischen Sicherheitskräften aus dem Flugzeug geholt worden und sind seitdem politische Gefangene des Regimes.

Das zynische Kalkül von Lukaschenko: Weil die EU es nicht hinnehmen könne, dass wie 2015 eine große Zahl von Menschen einfach so über ihre Grenzen kämen, müßte sie diese letztlich mit Gewalt am Grenzübertritt hindern. Das wiederum würde in der EU und weltweit Diskussionen über das unmenschliche Verhalten der EU auslösen.

Lukaschenko zielt damit auf eine Schwachstelle der EU. Bis heute hat es die EU nicht geschafft, sich auf eine gemeinsame Flüchtlings-, Asyl- und Einwanderungspolitik zu einigen. Es wird maßgeblich auch von Deutschland abhängen, ob das in Zukunft gelingt.

„Wir bekennen uns zur humanitären Verantwortung, die sich aus dem Grundgesetz, aus der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt“, heißt es dazu im Sondierungspapier der Ampel-Koalition.

Das ist wichtig und gut so, aber es wird Zeit brauchen. Jetzt gilt es, die richtigen Antworten auf die Politik von Lukaschenko zu finden.

Polen und Litauen haben auf die Schleuserpolitik Lukaschenkos mit verstärkten Grenzkontrollen reagiert. Wer aufgegriffen wird, wird ohne weitere Verfahren über die Grenze nach Belarus zurückgebracht. Diese sog. push backs sind mit fundamentalen europäischen Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar. In der EU-Grundrechte-Charta wird das Recht auf Asyl gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention garantiert. Und dort ist ein klares „Verbot der Ausweisung und Zurückweisung“ festgehalten.

Es müßte also zunächst in einem rechtsstaatlichen Verfahren geprüft werden, ob und bei wem ein Anspruch auf Asyl oder Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention besteht, ehe eine Zurückweisung oder Abschiebung erfolgen darf.

Stattdessen werden alle einfach Richtung Belarus zurückgestoßen. Und von dort wieder zurück nach Polen und Litauen. Die wenigen Journalist:innen, die es schaffen, von den Grenzen zu berichten, haben Menschen getroffen, die mehrfach hin- und hergestoßen wurden.

Der Aufenthalt im Niemandsland ohne Nahrung bei sinkenden Temperaturen wird zur tödlichen Falle. Zuletzt hatten polnische Polizisten in der vergangenen Woche die Leiche eines 24-jährigen Syrers gefunden.

Die Ampel-Koalition will „mit den europäischen Partnern Anstrengungen unternehmen, das Sterben auf dem Mittelmeer genauso wie das Leid an den europäischen Außengrenzen zu beenden. Wir wollen die Verfahren zur Flucht-Migration ordnen und die ausbeuterischen Verhältnisse auf den Fluchtwegen bekämpfen. Die Asylverfahren, die Verfahren zur Familienzusammenführung und die Rückführungen wollen wir beschleunigen und legale Wege schaffen. Abkommen mit Drittstaaten über Migration sollen dabei helfen“

Die EU hat es richtigerweise abgelehnt, Grenzzäune und Mauern aus der Gemeinschaftskasse zu bezahlen, obwohl sich zwölf Mitgliedstaaten dafür stark gemacht hatten, neun östliche plus Griechenland, Österreich und Dänemark.

Statt dessen sollte jetzt Lukaschenko mit weiteren Sanktionen verdeutlicht werden, dass sich die EU von ihm nicht erpressen lässt. Neben weiteren Sanktionen gegen das Regime könnten die Leasingverträge der belarussischen Airline Belavia für ihre Flugzeuge gestoppt werden, die größtenteils über Firmen in Irland abgeschlossen worden sind.

Die EU könnte Irland die Fortführung der Leasingverträge untersagt. Es gibt keinen Vertragsschutz, wenn sich eine Airline wie Belavia an Menschenschmuggel beteiligt. Ohne Flugzeuge bräche Lukaschenkos Schleusersystem schnell zusammen

Lukaschenko kann kaum einen Schritt ohne das Einverständnis und die Rückendeckung von Putin machen kann. Die EU sollte Putin deutlich machen, dass ihm dessen Politik mit zugerechnet wird und einer Verbesserung der Beziehungen entgegensteht.

Den Menschen, die sich jetzt im Grenzgebiet befinden, muss in jedem Fall humanitär geholfen werden. Polen muss ärztliche Versorgung zulassen. Es braucht Nahrungsmittel und Vorsorge für den Winter. Hier sollte die EU aus der Gemeinschaftskasse helfen.

Foto: Kai-Uwe Heinrich TSP

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