Özge Inan

Ippen, Springer und Co: Schöne, neue Nachrichtenwelt

Ippen, Springer und Co: Schöne, neue Nachrichtenwelt

15. Dezember 2023

Kolumne von Özge Inan

Auf der Homepage von Ippen Digital gibt es gerade nur ein Thema: Künstliche Intelligenz. Damit ist die bayerische Mediengruppe nicht allein. Im Journalismus dreht sich gerade viel darum, Springers Nachrichtenapp “Upday” etwa soll ab kommendem Sommer nur noch mit KI-generierten Inhalten bespielt werden, 70 Journalistinnen und Journalisten verlieren ihre Jobs. Trotzdem erregt das, was sich in der vergangenen Woche bei der Frankfurter Rundschau abspielte, besondere Aufmerksamkeit.

Eine knappe Woche nach einem Warnstreik kündigte Geschäftsführer Max Rempel an, zwei Redakteurinnen und ein Redakteur würden entlassen. Der Klima-Podcast „Kipp und klar“, der erst im September gestartet wurde, wird abgesetzt. Die App FR+, eine Multimedia-Ausgabe der Frankfurter Rundschau, wird nicht mehr redaktionell betreut. Alles Entscheidungen, die der “Einstellung der redaktionellen Betreuung unrentabler Produkte” geschuldet seien, so Geschäftsführer Rempel gegenüber der taz. Das Onlinemagazin Übermedien analysiert, Ippen habe “sich darauf spezialisiert, möglichst automatisiert und standardisiert viel journalismusähnlichen Content mit möglichst wenig Journalisten zu produzieren.” Da kommen echte Menschen mit echten Forderungen, die auch noch echten Arbeitskampf betreiben, natürlich ungelegen. In einem Kommentar des Deutschen Journalistenverbandes heißt es treffend: “Die Beschäftigten, allesamt gute Journalisten und Journalistinnen, denen ihre Zeitung am Herzen liegt, die draußen, auch nach dem Willen der Geschäftsführung und der Verleger, harte Interviews führen, sich von keinem Politiker oder Geschäftsmann an der Nase herumführen lassen sollen, die sollen im eigenen Laden kuschen.”

Man kann eine perfekt geölte Medienmaschine besitzen und sich mit Werbeeinnahmen eine goldene Nase verdienen. Oder man bietet ein journalistisches Produkt an. Beides zusammen funktioniert nicht, denn Journalismus gibt es nicht ohne Journalisten. Die sind wiederum echte Menschen mit echten Forderungen. Diese Lücke in der Logik der Medienimperien wurde früher noch durch Tendenzen zur Selbstausbeutung ausgeglichen, wird heute aber immer deutlicher. Denn wie in allen Branchen ist der Fachkräftemarkt auch im Journalismus leergefegt. Wenn Ippen Media also unter anderem Redakteurinnen feuert, die frisch aus dem Rundschau-Volontariat kommen, das Haus gut kennen und wegen außergewöhnlicher Leistungen verfrüht übernommen wurden, sägt es am Ast, auf dem es sitzt. Das wäre für sich genommen nicht besonders tragisch, die geschassten Mitarbeitenden finden schließlich ohne Probleme neue Jobs. Allerdings wird eine traditionsreiche Zeitung um drei starke Fachkräfte ärmer.

Nachrichten bilden nicht nur Füllmaterial für Zeitungsseiten und Gesprächsstoff für Bürosmalltalk. Wenn Geschichtsbücher unsere kollektive Erinnerung sind, sind Medien unser kollektives Auge. Die Automatisierung kommt, ob wir wollen oder nicht. Aber wir müssen uns fragen, wie lange dieser Prozess noch von Mechanismen kontrolliert werden soll, die auf Profit ausgelegt sind – und sonst nichts.


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Gezeichnetes bild von der Rise Above

Foto: Timo Schlüter

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