Besatzung. Kein Wort, mit dem wir hier viel anfangen können. Wie ist es, wenn fremde Soldaten durch die Straßen patrouillieren? Wie ist es, wenn du dich verstecken musst, wie, wenn der Nachbar abgeholt wird? Bist du der Nächste? Wie ist es, wenn du Tag und Nacht Angst hast?
Nichts wie weg, denkst du. Aber das ist nicht so einfach. Du brauchst Menschen, die die Gefahr auf sich nehmen und deine Familie rausholen. Du musst wissen, wovon du leben wirst. Und vor allem musst du wissen, wohin. Ganz viele wissen das nicht.
Seit vielen Wochen organisieren die Menschen von пліч-о-пліч (Side-By-Side) in Odesa Evakuierungsfahrten. Das ist gefährlich, es erfordert viel Mut. Wir haben mit Fahrzeugen, Spritkosten und Schutzausrüstung geholfen. Irgendwann war uns beiden klar: Wir müssen für ein Obdach auf Zeit sorgen. Wenigstens für einige Tage.
Gedacht, getan. Im Zentrum von Odesa können seit November bis zu 100 Menschen unterkommen. 24 Zimmer in einem alten Hotelkomplex haben wir dafür gemietet. Ein Spielzimmer für die vielen Kinder wurde renoviert und eingerichtet. Wir haben Bettwäsche besorgt und Kinderbetten. Es gibt psychologische Unterstützung, auch mal ein bisschen Spaß und Ablenkung. Es gibt natürlich Frühstück und ein warmes Mittagessen. Es gibt Unterstützung bei der Registrierung und bei der Wohnungssuche. Manche wollen weiter ins Ausland, auch dafür gibt es helfende Hände.
Morgens halb zehn in Deutschland, kennt ihr noch die Reklame? Leichtes Leben. Morgens halb zehn in Odesa können Menschen, die wirklich alles verloren haben, Tee trinken und frühstücken – nach einer sicheren Nacht.
Das macht uns froh.
Fotos: Ceylan Fain